Arthur Danto Andy Warhol Brillo Box

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Das Ende wovon?

in: Kunst. Fortschritt. Geschichte, hrsg. von Christoph Menke und Juliane Rebentisch, Berlin 2006, S. 57-66.

Kapitel II: Zur Interpretation der Brillo-Box

Bereits etliche Kommentatoren staunten über die Tatsache, daß ausgerechnet Warhols Brillo-Box es ermöglichen soll, „zum Kern der philosophischen Frage nach dem Wesen der Kunst“ vorzustoßen, wie Danto es formuliert. Ausgerechnet dieses Werk, dessen Bedeutung selbst in Warhols eigenem Œuvre hinter diejenige anderer Arbeiten zurücktritt, soll die westliche Kunst der Neuzeit und der Moderne zu ihrem Ziel, Begriff und Ende geführt haben. Aus kunsthistorischer Sicht wirkt dies äußerst unverhältnismäßig und stimmt von vornherein skeptisch gegenüber den weitreichenden Folgerungen, die aus der Deutung dieses Kunstwerks gezogen werden. Danto zufolge liegt das Verdienst der Brillo-Box jedoch darin, die alles entscheidende Frage gestellt zu haben, worin sich ein Kunstwerk von einem Objekt, das kein Kunstwerk sei, aber völlig gleich aussehe, unterscheidet. Erst anhand der Brillo-Box, die ebenjene Eigenschaft der Ununterschiedenheit zu einem bloßen realen Ding aufweist, kann nun die Frage nach dem Wesen der Kunst beantwortet werden. Da die Brillo-Box auf diese Weise zum letzten Werk wird, in dem sich die historische Mission der Kunst erfüllt, droht der Antwort, so Danto, auch keine „Außerkraftsetzung durch die Geschichte“. Doch nicht nur in der Zukunft darf sich kein Werk finden oder denken lassen, das sich Dantos Definition entzieht, sondern auch die ältere Kunst muß dadurch vollständig abgedeckt werden. Doch da sich für die Vormoderne keine äußerlich ununterscheidbaren Paare finden lassen, von denen das eine Glied ein Kunstwerk, das andere indessen kein Kunstwerk ist, erfindet Danto die für seine Argumentationsweise so signifikanten fiktiven Paare, beispielsweise zwei fleckige Wände, von denen die eine ein verblichener Leonardo, die andere hingegen lediglich eine fleckige Wand ist. Die Notwendigkeit, Kunstwerke zu erfinden, stellt meiner Ansicht nach einen Hinweis darauf dar, daß die mit Hilfe von Warhols Box gefundene Kunstdefinition eben doch historisch spezifisch und nicht universalisierbar ist, was ja auch nur dann möglich wäre, wenn die Kunst seit der Neuzeit stets derselben kunstdefinitorischen Frage nachgehangen hätte, die Warhol nun einer Antwort zuzuführen wußte.
Doch selbst in Bezug auf Warhol erscheint mir Dantos Argumentation problematisch. Kunstwerke sind für Danto durch ihre „aboutness“, ihre Bezogenheit auf etwas, ausgezeichnet. In dieser Bezogenheit liege ihre Bedeutung, die sich jedoch nicht durch Anschauung, sondern aufgrund einer Interpretation herstelle. Nach Danto hat diese Bedeutung die Form einer Metapher: Die Kunst zeigt etwas als etwas. Wie sieht diese Metapher im Falle der Brillo-Box aus? Sie zeichnet sich dadurch aus, daß sie den metaphorischen Transfer, den Danto „transfiguration“, Verklärung, nennt, zur größtmöglichen Reinheit destilliert: „Das Werk erhebt seinen Anspruch, Kunst zu sein, dadurch, daß es eine draufgängerische Metapher vorschlägt: der Brillo-Karton-als-Kunstwerk.“ Damit aber wird deren aboutness tautologisch: die Bedeutung besteht im Anspruch, Kunst zu sein – ein Anspruch, den eben nur sie, nicht aber ihr Pendant im Supermarkt stellt. Danto zögert nicht, dieses Argument auf andere Werke der modernen und zeitgenössischen Kunst auszudehnen, beispielsweise auf Marcel Duchamps Readymades, Jasper Johns Flaggen, Carl Andres minimalistische Holzblöcke oder Robert Mangolds frühe Mauerarbeiten. In allen sieht er dieselbe philosophische Frage und dieselbe Behauptung aufgestellt: die Flagge als Kunstwerk, der Holzbalken als Kunstwerk, der Flaschentrockner als Kunstwerk, das Mauerstück als Kunstwerk. „Tatsächlich wurde“, schreibt Danto, „in den 60er Jahren mehr oder weniger dieselbe philosophische Frage in der gesamten Kunstwelt gestellt, fast so, als würde das philosophische Wesen der Kunst allerorts wie Magma aus einem Vulkan herausgespuckt.“ Wenn alle diese Kunstwerke, seien es Duchamps Nagelproben künstlerischer Kreativität, Johns Analysen der Zweidimensionalität des Bildes oder Andres skulpturale Befragung von Orten und Architekturen, stets nur diesen einen Anspruch stellten und dieses eine aussagten, dann erschiene es tatsächlich plausibel, die Kunst an ihrem Ende angelangt zu sehen – auch wenn es sich weniger um die Ankunft im absoluten Selbstbewußtsein und um die Umwandlung der Kunst in Philosophie handelte, wie Danto meint, sondern eher um die Erschöpfung ihrer Kräfte. Dantos enge Konzeption künstlerischen Bedeutens, die zudem jede ästhetische Erfahrungsdimension unberücksichtigt läßt und über keinen Begriff künstlerischer Motivation verfügt, paßt zu einem Bild der Kunstgeschichte, das in deren Reichtum nur ein dürres Fortschrittsmodell und in der eruptiven und hochreflexiven Kunstproduktion der 1960er Jahre nur das Kunstende und den Übergang in eine nach-geschichtliche, theoretisch anspruchslose und letztlich beliebige Kunsttätigkeit erkennt. Hinsichtlich der Erfahrungsdimension der Kunst ist indessen auffällig, daß Danto es nicht ausläßt, Ort und Zeit seiner folgenreichen Brillo-Erfahrung anzugeben: Es war, wie er immer wieder betont, im April 1964 in der Stable Gallery an der East 74th Street. Damit aber kommt eine Dimension ins Spiel, die an Benjamins Aura-Definition des Hier und Jetzt erinnert. Zugleich zeigt sich hier eine Inkonsistenz in Dantos Behauptung, erst die Interpretation konstituiere das Kunstwerk. Denn die Interpretation von Warhols Box entwickelte er erst im Nachgang zu seinem Galeriebesuch, und die These, dort und damals habe sich das Ende der Kunst ereignet, entwickelte er sogar erst zwanzig Jahre später. Gleichwohl bestand für Danto von Anfang an kein Zweifel, daß er es mit Kunstwerken zu tun hatte: „Ich war […] überzeugt, daß sie Kunst waren […].“ Woher jedoch wußte Danto, was er vor sich hatte, und warum beeindruckte es ihn so nachhaltig, daß es seiner Biographie eine völlig neue Wendung gab?
Gerade an der Interpretation der Brillo-Box wird deutlich, wie eingeschränkt Danto das Bedeuten der Kunst auffaßt. Dieses Werk ist, wie Warhols Arbeiten überhaupt, weniger Kunst über Kunst beziehungsweise über den Begriff der Kunst, sondern in erster Linie Kunst über die amerikanische Wirklichkeit jener Zeit, über das künstlerische Tun im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit, über die (un)ähnliche Produktivität von Menschen und Maschinen usw. Die Brillo-Box ist auch ‚über‘ (about) die im Supermarkt käufliche Brillo-Box, so wie Warhols Marilyns ‚über‘ Marilyn Monroe sind. Diese selbstreferentielle Dimension, welche die Kunst in einen reflexiven Bezug zu dem setzt, was sie zeigt, klammert Danto vollständig aus. Ebenso wie Kunstwerke ihm zufolge erst von außen her zu solchen werden – kraft einer Interpretation, die ihrerseits auf einer historisch situierten Kunsttheorie fußt –, verweisen sie auch nur nach außen: auf die Kunstwelt, den Kunstbegriff, die vorherrschende Kunsttheorie usw. Verwunderlich bleibt indessen, daß er zum Beweisstück seiner Argumentation ausgerechnet Warhols Pop-Art wählte, als handle es sich bei ihr um einen besonders harten Fall konzeptueller Kunst. Dabei bestand deren Auffälligkeit gerade darin, sich zur Alltagswirklichkeit hin zu öffnen und eine neue Art von Realismus zu begründen. Daß die Brillo-Box den Anspruch stellt, Kunst zu sein, ist also keineswegs schon die Bedeutung dieses Werks, sondern lediglich die Bedingung dafür, daß es seine künstlerische Bedeutung entfalten kann, die weit über den „draufgängerischen“ Anspruch hinausgeht, Kunst zu sein.
Die interpretative Pointe der Brillo-Box, sie führe vor, daß Kunst selbst dann essentiell und ontologisch von bloßen realen Dingen verschieden sei, wenn sich zwischen beiden kein wahrnehmbarer Unterschied ausmachen lasse, steht und fällt mit dieser behaupteten Ununterscheidbarkeit. Doch diese besteht nicht. Wie in Warhols sämtlichen Arbeiten ist auch bei dieser die Realität minimal differenziert. Warhols Pop-Kollege Claes Oldenburg formulierte es so: „[W]ith his Brillo boxes there is a degree of removal from actual boxes and they become an object that is not really a box. In a sense they are an illusion of a box and that places them in the realm of art.“ Selbst wenn man einräumt, der Kunstcharakter der Brillo-Boxen werde durch die Differenzen zu den handelsüblichen Schachteln nicht hinreichend erklärt, ist gleichwohl augenfällig, daß es sich bei ihnen nicht um jene Kartonverpackungen handelt, die damals in den Supermärkten standen. Warum aber unternahm Warhol den Aufwand, sie in monatelanger Arbeit aus Holz zu zimmern, zu grundieren und mit sechs unterschiedlichen Sieben zu bedrucken, wenn er Kartonschachteln in die Galerie hätte stellen können? Die Antwort darauf kann nur im Rahmen einer Deutung von Warhols künstlerischem Verfahren gegeben werden, was hier nur stichpunkt- und holzschnittartig möglich ist.
Die Ausstellung der Brillo-Boxen nimmt in Warhols Werdegang eine herausragende Stellung ein. Biographisch ist sie insofern von Bedeutung, als er erst mit ihr die Berühmtheit erlangte, die wir mit seiner Künstlerpersönlichkeit verbinden. Dies lag wesentlich an der Entscheidung, nach der Galerieeröffnung dem Publikum erstmals die Factory zu öffnen, deren spezielles Ambiente den dortigen Empfang gleichsam zu einer zweiten Vernissage werden ließ. An diesem Abend zeigte er sich zum letzten Mal in der Gruppe der anderen Pop-Künstler Claes Oldenburg, Roy Lichtenstein, Tom Wesselman und James Rosenquist, um fortan nur noch mit seiner eigenen Entourage aufzutreten. Die Vernissage im April 1964 war ein entscheidender Augenblick in der Herausbildung jener Kunstfigur des Künstlers, die zu einem integralen Bestandteil des Warholschen Œuvres werden sollte.
Die New Yorker Stable Gallery, als ehemaliger Stall bereits schon ein umgewandelter Nutzraum, wurde von Warhol einem Lagerraum entsprechend hergerichtet und dicht mit Imitaten von Brillo-, Kellogs-, Heinz-, und Del-Monte-Kartonschachteln vollgestellt. Die Vernissage-Besucher fühlten sich nach übereinstimmenden Zeugnissen in ein Warenlager versetzt. Doch für die Installation gilt dasselbe wie für die einzelne Box: Es gab keine Ununterscheidbarkeit zwischen Kunstinstallation und bloßem Lagerraum, welche die Besucher in Zweifel darüber gesetzt hätte, in welcher Art Raum sie sich befanden. Die Pointe lag vielmehr in der Irritation, sich im Bereich der Kunst zu wissen und zugleich die ästhetische Erfahrung eines Alltagsraums zu machen, wobei beides in einer Weise voneinander weg strebte, daß die Aufmerksamkeit zugleich auf die Übereinstimmungen wie auf den Widerstreit zwischen beidem gelenkt wurde.
Die Installation in der Stable Gallery zeigte die beiden Warhols künstlerisches Vorgehen kennzeichnenden Merkmale, das Reproduktive und das Serielle, auf beispielhafte Weise. Denn anders als es in Dantos Erzählung erscheint, sahen die Galeriebesucher keine einzelne Brillo-Box, sondern bewegten sich zwischen hohen Stapeln derselben hindurch. Das warf nicht nur die Frage nach dem Bezug zwischen Handels- und Kunstprodukt sowie zwischen Galerieraum und Warenlager auf, sondern zugleich diejenige nach dem Bezug der einzelnen Brillo-Boxen zueinander. Während Warhols quasi-mechanisches Reproduktionsverfahren die Forderung nach künstlerischer Originalität unterlief, konterkarierte sein serielles Verfahren, die Werke im Duzend herzustellen, die Forderung nach der Einzigartigkeit des Artefaktes – es sei denn, man betrachte als das Artefakt gar nicht die einzelne Box, sondern die Installation als Ganze.
Warhols Themen sind die Erzeugnisse der technischen Zivilisation: Konsumgüter als Produkte der Warenindustrie, Stars als Produkte der Kultur- und Vergnügungsindustrie, Disasters als Produkte unbeherrschter Technik und mechanisierter Tötung, das menschliche Gesicht als Produkt gesellschaftlicher und medialer Zurichtung. Warhols Inspirationsquellen sind der New Yorker Society-Club Studio 54, die Massenmedien und der Supermarkt, und der Ort, an dem die Werke entstehen, ist kein Atelier, sondern eine Factory. Von den Pop-Künstlern erkannte Warhol am klarsten, daß die künstlerische Auseinandersetzung mit solchen Phänomenen nicht nur ein neues Themenspektrum, sondern vor allem eine völlig neue Art des Kunstmachens bedingte. Mit der ausschließlich reproduktiven und seriellen, jegliche malerische Handschrift meidenden und stets indirekt über das Medium des photobasierten Siebdrucks arbeitenden Werkherstellung entwickelte er ein Verfahren, das der Produktions- und Verbreitungsweise der Dinge und Erscheinungen, die seine Kunst zeigte, parallel lief. Die Technisierung und Medialisierung betraf die Poetik und die Ästhetik selbst. Unter veränderten Prämissen wahrte Warhol damit eine grundlegende Voraussetzung der Kunst: die wechselseitige Entsprechung von Dargestelltem und Darstellungsweise, von Inhalt und Form. Warhols Verfahren handelt von (is about) jenen neuen Phänomenen, indem er deren Produktion, sich selbst an die Stelle der Maschine setzend, in einem mimetischen Akt nachvollzog. Die minimale Differenz zur Realität, die Danto unterschlägt oder für unerheblich hält, ist folglich genau jener Zwischenraum, aus dem die Bedeutung von Warhols Arbeiten entspringt. Obwohl sie etliche der traditionellen Bestimmungen der Kunst mißachten – was die Bedingungen ihrer Interpretation betrifft, stellen sie innerhalb der Kunst gerade nicht den singulären Fall dar, den Danto in ihnen erkennt. Wenn aber selbst für Warhols Brillo-Box das Kriterium der Ununterscheidbarkeit nicht gilt, dann bleiben als Objekte, an denen Danto seine Kunstphilosophie entwickeln kann, nur noch die von ihm selbst erfundenen Kunst/Nicht-Kunst-Paare übrig. Der Wirklichkeitsbezug und die Bedeutung einer Kunstphilosophie, die sich darauf stützt, ist äußerst prekär.
Aufgrund von Dantos werkhermeneutischer und kunsthistorischer Unbekümmertheit verkehrt sich das Versprechen seiner Kunstphilosophie, die historische und die systematische Perspektive auf die Kunst zu verschränken, in die Erneuerung des alten Mißtrauens zwischen Philosophie und Geschichte beziehungsweise zwischen Ästhetik und Kunstgeschichte. Zu deutlich ist der subordinierende Gestus, der die Kunst dem analytischen Argument bis zum Punkt unterwirft, wo sie darin verschwindet wie in einer Box.

Kapitel I: Zur Geschichte der Kunst
Punkt Arthur Danto Kapitel II: Zur Interpretation der Brillo-Box
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Arthur Danto Ende der Kunst Kunstphilosophie Geschichte der Kunst

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Das Ende wovon? Kunsthistorische Anmerkungen zu Dantos These vom Ende der Kunst

in: Kunst. Fortschritt. Geschichte, hrsg. von Christoph Menke und Juliane Rebentisch, Berlin 2006, S. 57-66.

„Wenn die Philosophie der Kunst die größten Schwierigkeiten hat, die Geschichte der Kunst, das heißt einen gewissen Begriff von Historizität der Kunst zu beherrschen, ist dem paradoxerweise so, weil sie die Kunst zu leicht als historisch denkt.“ (Jacques Derrida)

Aus kunsthistorischer Sicht möchte ich zwei für Dantos Argumentation wesentliche Bausteine betrachten, zum einen die Darstellung der Geschichte der Kunst, zum anderen die Deutung von Warhols Brillo-Box, die bekanntlich den archimedischen Punkt von Dantos Kunstphilosophie bildet. Damit bezieht sich dieser Kommentar allerdings weniger auf Gerard Vilar, dessen Verneinung seiner Schlußfrage, ob wir Dantos These vom Kunstende wirklich brauchen, auch meinen Text grundiert, sondern vielmehr auf Danto selbst.

Kapitel I: Zur Geschichte der Kunst

Danto rechnet es zu seinen Verdiensten, in seiner Kunstphilosophie zwei gegenläufige Anliegen verbunden zu haben: eine Bestimmung des Wesens der Kunst, die den Anspruch auf überzeitliche Gültigkeit erfüllt, und zugleich eine Deutung der Kunstgeschichte. Tatsächlich verknüpft die These vom Ende der Kunst beides unmittelbar. Denn Danto zufolge enthüllt sich das Wesen der Kunst erst im Augenblick jener Erfüllung, die sie am Ende ihrer Geschichte erreicht. Zugleich setzt die These, die Kunst sei zu Ende, die Vorstellung einer kohärenten Geschichte voraus. Nur wenn diese einen linearen und damit nacherzählbaren Ablauf aufweist, kann sie auch zu Ende gehen. Gerade weil die Geschichte in Dantos Argumentation eine entscheidende Rolle spielt und gerade weil er beharrlich darauf hinweist, ein Kunstwerk müsse im Lichte seiner Entstehungszeit betrachtet werden, da nicht alles zu allen Zeiten möglich sei, fällt nun aber auf, wie sehr er die Geschichte der Kunst zu einer Karikatur verkürzt. Er beschreibt sie als Fortschrittsgeschichte mit zwei klar voneinander getrennten Phasen. In der ersten Phase, die vom Beginn der Renaissance bis zum Ende des Impressionismus dauert, waren die Künstler gemäß Danto damit befaßt, „die Welt so darzustellen, wie diese sich selbst zeigte, wobei sie Menschen, Landschaften und historische Ereignisse genau so darstellten, wie diese sich dem Auge präsentierten“. Die Kunstgeschichte zeige sich, so Danto, als „interne Entwicklung auf eine adäquate mimetische Repräsentation“, geprägt durch eine „zunehmende Geschicklichkeit in der Darstellung visueller Erscheinungsbilder“. Dies ist mehr oder weniger alles, was Danto zum Verlauf der sechs Jahrhunderte Kunstproduktion zwischen Giotto und Monet sagt. Die zweite Phase dauert vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum April 1964, als Warhol die Brillo-Boxen ausstellt. Auch diese Phase hat ein Telos – oder vielmehr zwei. Auf der einen Seite schließt sich Danto Clement Greenbergs formalistischer Deutung des Modernismus an, die in der Kunst seit Manet eine zunehmende Essentialisierung der einzelnen Künste erkannte; eine Essentialisierung, welche sich nach Greenberg dadurch verwirklichte, daß die spezifischen Eigenarten des jeweiligen Mediums in den Mittelpunkt rückten. Andererseits erkennt Danto in der Moderne das „Zeitalter der Manifeste“, in der sich die Kunst auf ein immer vollständigeres Bewußtsein ihrer Eigenart zubewegt. Danto verknüpft folglich auf eine nicht leicht nachvollziehbare Weise den Formalismus Greenbergs, der nie von der Essenz der Kunst, sondern allein von der Essenz einzelner Künste wie der Malerei oder der Skulptur spricht, mit dem hegelianischen Projekt eines wachsenden begrifflichen Selbstbewußtseins der Kunst als solcher. Wie wenig plausibel diese Verknüpfung ist, erweist sich am Zielpunkt von Dantos Kunstgeschichte, der Brillo-Box. Mag sich diese – zumindest in Dantos Perspektive – für eine Begriffsbestimmung der Kunst eignen, kann sie keinesfalls als Zielpunkt von Greenbergs Modernismus-Deutung angesehen werden. Vielmehr überschreitet sie dessen Entwicklungsmodell bereits dadurch, daß sie als Kunstobjekt, das Malerei und Skulptur verbindet, aus Greenbergs Künste- bzw. Medien-Essentialismus ausschert. Wie sich bei Danto das Kunstende vollzieht, ist hinreichend bekannt: Indem der Unterschied zwischen der Brillo-Box und ihrem nicht-künstlerischen Gegenpart im Supermarkt visuell nicht festzustellen sei, finde nicht nur die Mimesis-Theorie der Neuzeit ein Ende, sondern auch die Frage der modernen Kunst nach ihrem Begriff, da diese nun in ihrer reinsten Form gestellt sei. So verkörpert Warhols Box in Dantos Narrativ der Kunstgeschichte den letzten, zutiefst ambivalenten Fortschritt der Kunst, der jeden weiteren Fortschritt verunmöglicht und die paradoxe Situation entstehen läßt, in der die Freiheit, daß alles Kunst sein darf, mit der Unfreiheit, daß kein Wandel mehr stattfinden kann, zusammenfällt.
Diese Auffassung der Kunstgeschichte wird deren Verlauf weder in der Neuzeit noch in der Moderne gerecht. Aus kunsthistorischer Sicht wäre dagegen so vieles vorzubringen, daß es den Rahmen dieses Kommentars sprengte, damit anzufangen. Ich möchte allein grundsätzlich fragen, welches Gewicht der These vom Kunst(geschichts)ende zukommt, wenn die Beschreibung ebendieser Geschichte so wenig überzeugend ausfällt. Danto macht in seiner Gegenwart eine Erfahrung, die aus vielen Zustandsbeschreibungen der Moderne und sogar der Vormoderne bekannt ist. Die Zeitzeugen gewinnen den Eindruck, im Gegensatz zu früheren Epochen gäbe es in der gegenwärtigen Kunst kein ordnendes Regulativ und kein ästhetisches Kriterium mehr, und zwischen dem, was als Kunst gelte, und dem, was keine Kunst sei, könne nicht mehr unterschieden werden. Doch im Rückblick deuten solche Erfahrungen jeweils nicht auf ein Ende der Kunst hin, sondern führen lediglich zu einer Neukonzeption ihres Geschichtsverlaufs und ihres Begriffs. So geschah es auch im Falle von Greenbergs Entwicklungsmodell, das in den 1960er Jahren einer kritischen Revision unterzogen wurde, nicht nur, weil sich bei ihm die neu entstehenden Kunstformen nicht integrieren ließen, sondern weil im selben Zuge unübersehbar wurde, wie ausschnitthaft und verkürzend seine Vorstellung der künstlerischen Moderne war. Im Falle Dantos müßte die Revision vor allem der Auffassung gelten, die Geschichte der Kunst sei bis 1964 eine Fortschrittsgeschichte gewesen, und weiterhin der Auffassung, die künstlerische Moderne habe in ihrem ganzen Spektrum von Manet bis Warhol, von Brancusi bis Beuys, von Duchamp bis Johns, von Dali bis Pollock der philosophischen Suche nach dem Begriff der Kunst gegolten. Was in den 1960er Jahren in eine Krise geriet und an ein Ende kam, war weniger die Kunst als vielmehr eine bestimmte Möglichkeit, deren Geschichte zu entwerfen. Auch für Danto hätte die Gegenwart, die sich dem hergebrachten Narrativ nicht fügte, Anlaß sein können, die Geschichte der Kunst komplexer zu beschreiben, und dieses komplexere Bild der Geschichte hätte ihm wiederum dabei helfen können, in der eigenen Zeit nicht nur jene nach-geschichtliche kriterienlose Beliebigkeit zu erkennen, die er der post-warholschen Kunst zuschreibt, sondern darin auch Kriterien der Ordnung zu entdecken. In Dantos Verkündigung des Endes der Kunst scheint mir der Fehlschluß vorzuliegen, das Narrativ – jene bestimmte Art, die Geschichte der Kunst zu erzählen – für die erzählte Sache – die Kunst selbst – zu halten.

Punkt Arthur Danto Kapitel I: Zur Geschichte der Kunst
Arthur Danto Pfeil Kapitel II: Zur Interpretation der Brillo-Box
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Poetik der Nachträglichkeit oder Das Warten des Marcel Duchamp

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Poetik der Nachträglichkeit oder Das Warten des Marcel Duchamp

in: Geschichte und Ästhetik. Festschrift für Werner Busch zum 60. Geburtstag, hrsg. von Margit Kern, Thomas Kirchner und Hubertus Kohle, Berlin 2004, S. 461-469.
Inhalt:

Kapitel I: Réflexion à main

Kapitel II: Der Flaschentrockner als Paradigma

Kapitel III: Poetik der Nachträglichkeit

Kapitel IV: Der kreative Akt

Marcel Duchamp the creative act der kreative Akt

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Poetik der Nachträglichkeit oder Das Warten des Marcel Duchamp

in: Geschichte und Ästhetik. Festschrift für Werner Busch zum 60. Geburtstag, hrsg. von Margit Kern, Thomas Kirchner und Hubertus Kohle, Berlin 2004, S. 461-469.

Kapitel IV: Der kreative Akt

Vier Jahre früher, 1957, präsentierte Duchamp bei der Convention of the American Federation of Arts in Houston / Texas seine Definition des „kreativen Aktes“. Die knappen Äußerungen waren zwar allgemein und unpersönlich gehalten, dennoch verdichteten sie Duchamps Produktionsmaximen und reflektierten zugleich die Erfahrungen, die er als Beobachter des „Atmens“ seiner Werke machen konnte. Der Vortrag befaßte sich mit zwei Relationen: mit derjenigen zwischen Künstler und Publikum, das Duchamp als „Zuschauer“ und „Nachwelt“ bezeichnet, und derjenigen zwischen Absicht und Verwirklichung, wenn ein Kunstwerk entsteht. Ersteres, die Relation von Künstler und Publikum, beschreibt er als Interaktion zweier unabhängiger Pole, die gleichberechtigt an der Werkkonstitution beteiligt seien. Produktion und Rezeption eines Kunstwerks unterschieden sich jedoch, so Duchamp, in grundsätzlicher Weise. Verkörpere dieses für den Künstler das Ziel seines Tuns, bilde es für denjenigen, der es wahrnehme, den Ursprung seiner Wahrnehmung. Diese ebenso zeitliche wie perspektivische Differenz läßt nach Duchamp jeden Versuch illusorisch werden, Autor, Werk und Rezipient auf eine Linie zu bringen, beispielsweise nach einer Logik von Ursache und Wirkung. Die Formation des Werks und die Formation der Wirkung sind vielmehr gegenläufige, asymmetrische Bewegungen. Den ungreifbaren Punkt, an dem sie sich berühren, bezeichnet er als den Ort einer „ästhetischen Osmose“.

Um Asymmetrien geht es auch bei Duchamps Ausführungen zum künstlerischen Kreationsprozeß. Im „Kampf um die Verwirklichung“ der eigenen Intentionen, den der Künstler führt, reißt nach Duchamp ein „Loch“ auf, „das die Unfähigkeit des Künstlers darstellt, seine Absicht voll auszudrücken“. Das Kunstwerk erweist sich als Ergebnis einer „Serie von Bemühungen, Leiden, Befriedigungen, Verzichten, Entscheidungen“, bei denen die Gewißheit zu erreichen, was man zu erreichen hofft, nicht gegeben ist. Die Instabilität, Inkohärenz und Inkonsequenz von Geist und Hand läßt Intention und Realisation des Kunstwerks auseinandertreten. Dies begründet für Duchamp jedoch nicht etwa das Scheitern, sondern umgekehrt das Gelingen des Werks. Denn gerade das „Loch“, das „fehlende Glied in der Reaktionskette“, prägt ihm den „persönlichen ‚Kunst-Koeffizienten'“ ein. Dieser stellt folglich, so Duchamp, eine doppelte Verfehlung dar: „Der persönliche ‚Kunst-Koeffizient‘ ist wie eine arithmetische Relation zwischen dem Unausgedrückten-aber-Beabsichtigten und dem Unabsichtlich-Ausgedrückten.“ Auf diese Weise billigt er dem Kunstwerk eine irreduzible und essentielle Unberechenbarkeit zu. Es gewinnt eine zeitliche Dimension, die sich nicht auf den Raum zurückführen läßt, sondern einen Schnitt vollzieht und eine Diskontinuität einführt. Das Kunstwerk, weder festgestellt noch feststellbar, erzeugt einen paradoxen Raum, in dem stets etwas fehlt, aus den Fugen gerät, nicht an seinem Platz ist oder unsichtbar bleibt. Dieser Mangel aber ist nach Duchamp dessen eigentliches Potential.

Der Ausdruck der „arithmetischen Relation“ verweist dabei auf das Quasi-Wissenschaftliche, das viele von Duchamps Arbeiten prägt. So scheinen das „Große Glas“ und „Etant donnés“ körperliche, die „Readymades“ geistige Aktivitäten vermessen zu wollen – ohne daß sich beides genau trennen ließe. Klare Ergebnisse werden dabei ebensowenig erzielt wie bei der arithmetischen Berechnung des Kunstkoeffizienten. An Duchamps diesbezüglicher Gleichung, welche die Form: „c = a/b“ aufweist, fällt nämlich auf, daß sowohl „a“ (das Unausgedrückte-aber-Beabsichtige) als auch „b“ (das Unabsichtlich-Ausgedrückte) unbestimmbar sind. Damit aber bleibt der Wert „c“ (der Kunstkoeffizient), der nach Duchamp aus der Verrechnung von „a“ mit „b“ folgt, ebenfalls unbestimmt. Das Verfahren gleicht dem unvollständigen Titel von Duchamps letzter Arbeit, „Etant donnés: 1˚ la chute d’eau / 2˚ le gaz d’éclairage“, der zwar zwei „Gegebenheiten“ angibt (Wasserfall und Leuchtgas), nicht aber, was daraus resultiert. Der Kunstkoeffizient ist demnach keine positiv bestimmbare Größe, sondern erweist sich vielmehr als trennende Operation, als Zwischenraum.

Duchamps größtes Werk sei die Art und Weise, wie er sich die Zeit vertreibe, sagte sein langjähriger Freund Henri-Pierre Roché. Sein Bruder Jacques Villon drückte es drastischer aus. Er beschrieb ihn als jemanden, „der alles tut, als ob es ihm stets nur darum ginge, die Zeit totzuschlagen“. Die Sprengkraft von Duchamps Kunst- und Lebensentwurf liegt, zumal in unserer ungeduldigen Gegenwart, nicht zuletzt in dieser aufreizenden Gelassenheit. Seine Poetik der Nachträglichkeit, die Kalkül und Zufall, Begehren und Verzicht ineinanderfließen läßt, setzt vor allem die Fähigkeit voraus, den Dingen Zeit zu lassen und warten zu können.

Kapitel I: Réflexion à main
Kapitel II: Der Flaschentrockner als Paradigma
Kapitel III: Poetik der Nachträglichkeit
Punkt Marcel Duchamp Kapitel IV: Der kreative Akt
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Marcel Duchamp Großes Glas etant donnes

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Poetik der Nachträglichkeit oder Das Warten des Marcel Duchamp

in: Geschichte und Ästhetik. Festschrift für Werner Busch zum 60. Geburtstag, hrsg. von Margit Kern, Thomas Kirchner und Hubertus Kohle, Berlin 2004, S. 461-469.

Kapitel III: Poetik der Nachträglichkeit

Bei Duchamp beginnt alles mit der Reproduktion, erweist sich als das Nachleben einer Gegenwart, die nie da war und deren bedeutete Präsenz immer im nachhinein und gleichsam als Hinzufügung rekonstituiert wird. „Meine Werke atmen“, sagte Duchamp, der sich in späteren Jahren selbst gerne als „Atmer“ beschrieb, wenn er nach seiner Profession gefragt wurde. Das hohe Alter, das Duchamp erreichte, erlaubte es ihm, eine über Jahrzehnte sich erstreckende beständige Metamorphose des „Flaschentrockners“ teils zu initiieren, teils lediglich zu beobachten. So wurde er Zeuge, wie das anfänglich unbemerkte und mehrfach verschwundene Objekt nicht nur zu einem der bekanntesten Kunstwerke der Moderne avancierte, sondern im nachhinein und gegen die rezeptionsgeschichtlichen Fakten zu einem der folgenreichsten Gründungswerke der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts erklärt wurde. Trotz der Kanonisierung aber bleiben Fragen, die bei Kunstwerken gemeinhin leicht zu beantworten sind, in irritierender Weise offen: Gibt es den „Flaschentrockner“ überhaupt, und wenn ja, in welcher Gestalt? Wer schuf ihn wann und wie? Statt das künstlerische Tun zu verdinglichen und zu trivialisieren, entpuppt sich das Readymade als Reflexion über ebendieses Tun. Der „Flaschentrockner“ thematisiert es, indem er es en abîme führt.
Duchamps Poetik der Nachträglichkeit, die „mit allen Formen der Verspätung“ arbeitete, bestimmte den schöpferischen Prozeß weniger als Verhältnis von Ursache und Wirkung, sondern als Abfolge verschiedener Zustände eines Systems. Dieses Verfahren prägte nicht nur die Readymades, sondern ebenso sehr auch die anderen, bereits erwähnten Hauptwerke (und dürfte übrigens auch Duchamps Interesse am Schachspiel erklären). Schon die äußerlichen Daten und Fakten verdeutlichen dies. Am „Großen Glas“, dem er den Untertitel „Verspätung aus Glas“ gab, arbeitete er nach längerer Vorbereitung acht Jahre lang, bis er es 1923 für endgültig unvollendet erklärte. Ein Grund für den Abbruch lag in Duchamps Überdruss, nur noch als handwerklicher Ausführungsgehilfe seiner bereits fertigen Ideen tätig zu sein, als Hand ohne Geist. Gegenüber dem Readymade kehrte sich die Situation hier um: Beim „Großen Glas“ waren es die Ideen, die „ready made“ vorlagen, während der Gegenstand erst danach hergestellt wurde. Auf dem Rücktransport von der einzigen Ausstellung, auf der das Werk je zu sehen war, 1926/27 im Brooklyn Museum, zerbrachen die Glastafeln und lagerten fortan in einem Depot. Als Duchamp, der bereits seit einem Jahrzehnt wieder in Paris lebte und offiziell nur noch Schach spielte, 1933 davon erfuhr, begann er die Arbeit an der „Grünen Schachtel“. In ihr versammelte er knapp hundert Notizzettel, die während der Konzeptionsphase des „Großen Glases“ entstanden waren. Seine vor zwanzig Jahren notierten Gedanken und Skizzen behandelte er dabei in genau derselben Weise, wie er später die Readymades als Multiples reproduzieren sollte: Jede Zufälligkeit der Tintenfärbung, der Papierqualität oder der Abrißkanten der verschiedenen Zettel wurde genauestens reproduziert. Bewußt schob Duchamp, wie er in einem Brief festhielt, dem Glasbild ein Textkorpus nach, das „so amorph wie möglich“ nie Form gewinnen sollte. Er ergänzte die Anschauung durch eine Lektüre, damit beide sich gegenseitig daran hinderten, eine „ästhetisch-plastische oder literarische Form zu gewinnen“. 1936, zwei Jahre nach dem Erscheinen der „Grünen Schachtel“, restaurierte er schließlich in monatelanger Arbeit das völlig zersplitterte Werk. Die Risse, die nun das gesamte Bildfeld durchzogen, akzeptierte Duchamp als neue Dimension des Werks, obschon er dafür nicht verantwortlich sei. Sie stellten jedoch eine „ready-made-Absicht“ dar, die er „respektiere und liebe“. Paradoxerweise führte also die Zerstörung des Werks zu seiner Wiedererweckung, ja, Neuerschaffung, vor allem durch die Publikation der „Grünen Schachtel“. Letztere verschaffte dem „Großen Glas“ erstmals ein Publikum, und mit einem Essay André Bretons von 1936 setzen die bis heute anhaltenden Versuche ein, das hermetische Werk aufgrund der ebenso hermetischen Notate zu deuten. Währenddessen jedoch blieb das „Große Glas“ selbst weitgehend unsichtbar. Das äußerst fragile, nicht reisefähige Werk befand sich bis 1954, als es im Philadelphia Museum of Art aufgebaut wurde, in einer amerikanischen Privatsammlung.
An „Etant donnés“ wiederum arbeitete Duchamp seit 1946 zwanzig Jahre im verborgenen, während er in Interviews die regelmäßig gestellte Frage, ob er die Kunst wirklich aufgegeben habe, ebenso regelmäßig bejahte. Seinem Willen gemäß wurde das Werk, das einem Environment ähnelt, jedoch nicht zu betreten ist, erst nach seinem Tod 1968 in New York abgebaut und im Philadelphia Museum of Art wieder errichtet. Dort wurde es am 7. Juli 1969 einer überraschten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für den Transfer vom kleinen Raum eines Geschäftshauses, wo Duchamp das Werk fertiggestellt hatte, nach Philadelphia verfaßte er ein ebenso umfangreiches wie akribisches technisches Manual, dem er den Titel „Approximation démontable“, „Zerlegbare Annäherung“, gab. Im Falle von „Etant donnés“ überschritt Duchamps Poetik des stetigen Aufschubs sogar die Schwelle des eigenen Todes. Zugleich wußte er, daß die Nachricht des neuen und zugleich postumen Werks sein Œuvre und seine Künstlervita in ein völlig verändertes Licht rücken und manche der bisherigen Deutungen seines Kunstwollens falsifizieren würde, insbesondere diejenige, er habe das Kunstmachen seit langem zugunsten des Schachspiels aufgegeben. Niemand konnte ahnen, wie wörtlich der Schluß eines Statements zu nehmen war, das Duchamp 1961 in Philadelphia vortrug, und zwar genau in derjenigen Institution, für die er sein letztes Werk bestimmt hatte: „Zum Schluß hoffe ich, daß diese Mittelmäßigkeit, die durch zu viele, der Kunst per se fremde Faktoren bedingt ist, eine Revolution, diesmal eine von asketischer Art, herbeiführen wird, über die sich das große Publikum nicht einmal bewußt werden wird und die bloß einige Eingeweihte entwickeln werden, – am Rande einer Welt, die durch das ökonomische Feuerwerk geblendet ist. The great artist of tomorrow will go underground.“

Kapitel I: Réflexion à main
Kapitel II: Der Flaschentrockner als Paradigma
Punkt Marcel Duchamp Kapitel III: Poetik der Nachträglichkeit
Marcel Duchamp Pfeil Kapitel IV: Der kreative Akt
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Marcel Duchamp Readymade Flaschentrockner

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Poetik der Nachträglichkeit oder Das Warten des Marcel Duchamp

in: Geschichte und Ästhetik. Festschrift für Werner Busch zum 60. Geburtstag, hrsg. von Margit Kern, Thomas Kirchner und Hubertus Kohle, Berlin 2004, S. 461-469.

Kapitel II: Der Flaschentrockner als Paradigma

Der „Flaschentrockner“ als eines der bekanntesten Readymades scheint die These, Duchamp habe das Machen von Kunst durch die Reflexion über Dinge ersetzt, besonders nachdrücklich zu bestätigen. Denn äußerlich läßt er keinerlei Transformationen gegenüber seinen Doppelgängern in den Warenhäusern erkennen. Kunstgeschichtlich betrachtet, verweist der „Flaschentrockner“ denn auch auf eine tiefe historische Zäsur. Am ehesten der Gattung der Skulptur zuzuordnen, steht er exemplarisch für die Kluft, welche in dieser Kunstgattung Tradition und Moderne trennt. Er durchbricht sämtliche Konventionen, welche die Bildhauerei von der griechischen Antike bis zu Rodin bestimmten: die Konzentration auf die menschliche Gestalt, die Beschränkung auf die Materialien Marmor, Bronze und Holz, das monolithische Volumen, die Darbietung auf einem Sockel sowie die herkömmlichen Produktionsformen des Hauens, Formens oder Gießens. Letztere negiert der „Flaschentrockner“ nicht nur durch die industrielle Fertigung, sondern zugleich dadurch, daß Duchamp die Herstellung des Gegenstandes vom Entwurf bis zur Ausführung anderen überließ. Entsprechend schrieb Duchamp, er habe den Flaschentrockner als „bereits fertige Skulptur“ („sculpture toute faite“) gekauft. Nun erst begann die Herstellung des „Flaschentrockners“ als Kunstwerk – eine Herstellung, welche die komplexe, langwierige und wechselvolle Entstehung eines Readymades besonders prägnant veranschaulicht. Zunächst einmal vollzog sie sich in lauter Negationen. Der originale „Flaschentrockner“ wurde nie ausgestellt und ging wie die meisten anderen Readymades verloren, ebenso die Inschrift, mit der er angeblich versehen war. Es gibt keine Zeugen, die ihn gesehen oder gar fotografiert haben, und ein Museum oder ein anderer kunstinstitutioneller Raum waren nicht einbezogen. Wie also wurde das, was wir heute als „Flaschentrockner“ kennen, gemacht?
Eigenen, nachträglichen Angaben zufolge kaufte Duchamp 1914 ein Exemplar dieses Haushaltsgegenstandes in einem Pariser Kaufhaus und stellte ihn, ohne irgendeine Veränderung daran vorzunehmen, in sein Atelier. Nachdem er 1915 nach New York übergesiedelt war, übermittelte er Anfang 1916 seiner Schwester Suzanne Duchamp Anweisungen zur Auflösung seines Pariser Ateliers. Sie betrafen auch den „Flaschentrockner“. „Nun, wenn Du hinaufgegangen bist, hast Du in meinem Atelier […] einen Flaschentrockner gesehen. […] Und ich habe eine Idee, was den besagten Flaschentrockner betrifft: Hör zu. Hier in New York habe ich Objekte desselben Stils gekauft und sie ‚readymade‘ genannt, Du kannst genug Englisch, um den Sinn von ‚bereits fertig‘ zu verstehen, den ich diesen Objekten gebe – Ich signiere sie und gebe ihnen eine Inschrift in Englisch. […] Nimm für Dich diesen Flaschentrockner. Ich mache aus ihm ein Readymade aus der Entfernung. Du wirst ihn unten und im Inneren des unteren Rings beschriften, in kleinen Buchstaben mit einem Pinsel für Öl in der Farbe silbernes Weiß mit der Inschrift, die ich Dir hier anschließend gebe, und Du wirst ihn in derselben Schrift signieren wie folgt: Marcel Duchamp.“ Der Rest des Briefes ist, wenn es ihn je gab, nicht erhalten, so daß unbekannt bleibt, womit der „Flaschentrockner“ hätte beschriftet werden sollen. Später konnte sich Duchamp, der ansonsten über ein vorzügliches Gedächtnis verfügte, an die Inschrift nicht erinnern. Entsprechend beschriftete er ein 1960 von Robert Rauschenberg gekauftes Exemplar mit den Worten: „Unmöglich, mich an den ursprünglichen Satz zu erinnern.“ Trotz Duchamps Anweisungen verlor sich die Spur dieses ersten, lediglich durch Duchamps Brief belegten „Flaschentrockners“, vermutlich wurde er bei der Atelierräumung weggeworfen. Bevor also jemand davon erfahren konnte, landete das Skandalobjekt aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Müll.
Zwanzig Jahre vergingen, ehe es dem Vergessen entrissen wurde. In den 1930er Jahren entwickelte Duchamp ein retrospektives Interesse an seinem Werk, das ab 1935 zur Fertigung eines tragbaren Miniaturmuseums, der „Schachtel im Koffer“, führte. Nun legte er erstmals die Anzahl und die Entstehungszeit der Readymades fest und stellte von ihnen verkleinerte Repliken oder fotografische Reproduktionen her. Zu diesem Zweck erwarb er 1936 einen neuen Flaschentrockner und ließ ihn von Man Ray fotografieren. Dem Vergangenheitscharakter des Objektes wurde dabei durch verschiedene Maßnahmen sorgfältig Rechnung getragen. Auf dem Bild erscheint er ohne Standfläche, gleichsam schwebend, als ortloses Ding. Eine sorgfältig arrangierte Beleuchtung erzeugt den Effekt, als hätte die in Wahrheit nagelneue Zinkoberfläche bereits Patina angesetzt. Und was auf dem Bild wie ein harter Schlagschatten aussieht, verdankt sich einem zweiten, verschobenen Druck des Umrisses: Als Schatten führt der Gegenstand sein eigenes Double mit sich, womöglich als anschauliche Entsprechung dafür, daß das neue Exemplar lediglich ein verlorenes anderes vertritt. Wenig später wurde der „Flaschentrockner“ in einer Pariser Galerie zum ersten Mal ausgestellt. In Gestalt dieses neu gekauften Exemplars stand er in einer Vitrine, eingereiht unter surrealistische Objekte, Fetische der Papua und Inuit sowie mathematische Demonstrationsmodelle aus dem Institut Poincaré, ohne daß er während der lediglich eine Woche dauernden Präsentation sehr beachtet worden wäre. Anschließend ging auch dieses Exemplar verloren. Als 1941 die „Schachtel im Koffer“ in geringer Auflage erschien, begann die Idee der Readymades endlich etwas bekannter zu werden. Nun wurden auch erste Artikel veröffentlicht, die ihr Konzept zu deuten versuchten. Gut dreißig Jahre waren seit der Entstehung der Readymades vergangen, deren Produktion Duchamp zu diesem Zeitpunkt längst eingestellt hatte.
Der „Flaschentrockner“ spaltete nicht nur die Produktion des Gegenstandes von der Fertigung des Kunstwerkes ab. Auch letzteres vollzog sich in einzelnen, distinkten Schritten und in erheblicher zeitlicher Dehnung, wobei Idee und Ausführung, veränderte Idee und erneute Ausführung zu einer beständigen Modifikation des Werkes führten. Obschon Duchamp 1914 als Entstehungsdatum festlegte, erfuhr der „Flaschentrockner“ seine erste Transformation zwei Jahre später, als Duchamp auf die Idee kam, ihn zu beschriften, zu signieren und rückwirkend zum Readymade zu erklären. Er tat es zudem aus der Ferne, mit Suzanne Duchamp als seinem verlängerten Arm. In den Anweisungen an die Schwester war von einer Präsentation nicht die Rede. Nachdem er bislang ein unbemerktes Dasein im Atelier von Duchamp geführt hatte, sollte ihn die Schwester jetzt lediglich zu sich nehmen. So wurde die retrospektive Versammlung des Œuvres in der „Schachtel im Koffer“, die dem „Flaschentrockner“ nach zwanzig Jahren Inexistenz zu einem zweiten Leben verhalf, zum Readymade zweiter Potenz: zum Readymade nicht mehr eines Alltagsgegenstandes, sondern eines Readymades.
Die „Réflexion à main“ über die Herstellung eines Kunstgegenstandes schloß Duchamp 1964 mit der Entscheidung ab, vierzehn der Readymades in einer Auflage von jeweils acht Stück als Multiples herzustellen – ein Entschluß, der vielen als Verrat an dem erschien, was sie als das Konzept des Readymades verstanden hatten. Die Herstellung dieser Repliken vollzog sich mit jener handwerklichen Sorgfalt, die Duchamp auch bei seinen anderen Hauptwerken walten lieg, dem „Großen Glas“ und „Etant donnés“. Die Multiples sollten exakt den verlorenen Originalen entsprechen. Da die jeweiligen Gegenstände aber mittlerweile nur in veränderter Gestalt käuflich waren, mußten sie als Einzelanfertigungen hergestellt werden, was insbesondere beim Porzellan-Urinal „Fountain“ ein kostspieliges Verfahren erzwang. Isolierte das Readymade ein beliebiges Exemplar aus der industriellen Serienproduktion, kehrte Duchamp den kreativen Akt diesmal um: Das Readymade ging nach einem individuellen Original in Serie. Erst jetzt, in Gestalt dieser Repliken und 50 Jahre nach ihrer mittlerweile mythischen Entstehung, begannen die Readymades die Museen und Ausstellungen zu bevölkern, was inzwischen leicht möglich war, da ihnen Nouveau Réalisme, Pop Art und die entstehende Konzeptkunst ein Rezeptionsumfeld boten, das zu ihrer Entstehungszeit nicht absehbar war. Jetzt endlich konnte der Satz, Duchamp habe Alltagsgegenstände durch die Aufstellung im Museum zur Kunst erklärt, seine Berechtigung finden – wenn dieser Satz damals nicht schon wieder falsch gewesen wäre, da die fraglichen Objekte inzwischen handgefertigte Multiples und keine dislozierten Alltagsgegenstände mehr waren.

Kapitel I: Réflexion à main
Punkt Marcel Duchamp Kapitel II: Der Flaschentrockner als Paradigma
Marcel Duchamp Pfeil Kapitel III: Poetik der Nachträglichkeit
Kapitel IV: Der kreative Akt
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Marcel Duchamp Konzeptkunst Philosophie

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Poetik der Nachträglichkeit oder Das Warten des Marcel Duchamp

in: Geschichte und Ästhetik. Festschrift für Werner Busch zum 60. Geburtstag, hrsg. von Margit Kern, Thomas Kirchner und Hubertus Kohle, Berlin 2004, S. 461-469.

„Das Rad kreisen zu lassen war sehr beruhigend und tröstlich, es eröffnete Wege zu anderen Dingen als den materiellen des alltäglichen Lebens. Ich mochte die Idee, ein Fahrrad-Rad in meinem Atelier zu haben. Ich schaute ihm gerne zu, so wie ich es genieße, in die Flammen zu schauen, die in einem Kamin tanzen.“ (Marcel Duchamp)

Kapitel I: Réflexion à main

Eine heute einflußreiche Spielart der Ästhetik begreift die Kunst als Fortsetzung der Philosophie mit anderen Mitteln. Sie beruft sich auf die Konzeptualisierung der Kunst im 20. Jahrhundert und insbesondere auf deren Präzeptor Marcel Duchamp, dessen Readymades die Sinnlichkeit der Kunst durch die Kraft der Reflexion ersetzt hätten. Duchamp habe das künstlerische Tun, das bislang durch handwerkliches Geschick und den ästhetischen Reiz des Materials geprägt gewesen sei, in eine rein geistige Praxis überführt: in die Reflexion über das Verhältnis von Dingen und Zeichen sowie über die Klassifikation von Objekten. Diese plausible Sichtweise hat ihren blinden Fleck allerdings in der Frage, wie denn solche Reflexionsobjekte gemacht sind, ja, überhaupt gemacht werden können. Deutlich wird dies an zwei Eigenheiten des interpretierenden Umgangs mit den Readymades. Zum einen werden sie aus dem Œuvre herausgelöst, obschon Duchamp selbst sein Œuvre als so geschlossen begriff, daß er es in Gestalt eines Miniaturmuseums, der so genannten „Schachtel im Koffer“, zusammenfaßte. Zugleich verwendete er in der zweiten Hälfte seines Lebens erhebliche Mühe darauf, es im Philadelphia Museum of Art so vollzählig und geschlossen wie möglich zu präsentieren. Dort stehen die Readymades nun in der Nachbarschaft zweier weiterer Hauptwerke, an denen Duchamp über Jahre hin mit größter handwerklicher Sorgfalt arbeitete: „La mariée mise à nue par ses célibataires, même“, auch „Das Große Glas“ genannt, das 1915 bis 1923 entstand, und „Etant donnés: 1° la chute d’eau / 2° le gaz d’éclairage“, an dem Duchamp von 1946 bis 1966 arbeitete. Der blinde Fleck zeigt sich aber auch an der Hartnäckigkeit, mit der behauptet wird, Duchamp habe ab 1913/14 die Kunstwelt durch den Entschluß herausgefordert, beliebige Alltagsgegenstände zu Kunstwerken zu erklären, indem er sie im Museum aufgestellt habe. Bekanntlich ist nichts dergleichen geschehen. Es darf auch vermutet werden, daß der Versuch, wäre er unternommen worden, auch gar nicht erfolgreich gewesen wäre. Vielmehr bedurfte es einer langen Kette verschiedener Handlungen und einer Vielzahl von Mitspielern, um die Readymades von Alltagsdingen in Kunstgegenstände zu verwandeln. Duchamps Ziel bestand nicht in der nominalistischen Setzung von Gebrauchsgegenständen als Kunst. Was ihn interessierte, war weniger die Markierung einer Differenz als vielmehr das Spiel mit ihr. Dieses Spiel spielte er jedoch nicht allein in der Sphäre von Begriffen und Konzepten. Er betrieb es als „Réflexion à main“, als „handbetriebene Reflexion“, die weder die Kunst in Philosophie überführen noch das Machen überwinden wollte. Duchamp suchte viel eher nach einer Neubestimmung dessen, was er durchaus traditionell den „kreativen Akt“ nannte. Dabei stand für ihn außer Frage, daß sich diese Suche nur innerhalb der Kunst und als Kunst vollziehen konnte.

Punkt Marcel Duchamp Kapitel I: Réflexion à main
Marcel Duchamp Pfeil Kapitel II: Der Flaschentrockner als Paradigma
Kapitel III: Poetik der Nachträglichkeit
Kapitel IV: Der kreative Akt
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Die eigentliche Tätigkeit. Aktion und Erfahrung bei Bruce Nauman

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Die eigentliche Tätigkeit. Aktion und Erfahrung bei Bruce Nauman

in: Auf der Schwelle. Kunst, Risiken und Nebenwirkungen, hrsg. von Erika Fischer-Lichte, Robert Sollich, Sandra Umathum und Matthias Warstat, München 2006, S. 57-74.
Inhalt:

Kapitel I: Aktivität und Passion

Kapitel II: Nauman und das „offene Kunstwerk“

Kapitel III: Vom Werk zur Performance

Kapitel IV: Von der Performance zur Installation

Kapitel V: Das Spiel (mit) der Subjektivität

Bruce Nauman Spiel Closed Circuit Psychoanalyse

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Die eigentliche Tätigkeit. Aktion und Erfahrung bei Bruce Nauman

in: Auf der Schwelle. Kunst, Risiken und Nebenwirkungen, hrsg. von Erika Fischer-Lichte, Robert Sollich, Sandra Umathum und Matthias Warstat, München 2006, S. 57-74.

Kapitel V: Das Spiel (mit) der Subjektivität

Naumans Arbeiten zeichnen sich durch den ‚double bind‘-Effekt aus, dass man als Betrachter zugleich adressiert und ausgestoßen wird. Das Naumansche ‚Spiel‘ scheint immer dann aufzugehen, wenn ein irritierender Rest übrig bleibt. Erstaunlicherweise aber ist die Erfahrung mangelnder Selbstbestätigung in der Begegnung mit dem Kunstwerk keineswegs nur frustrierend. Der verbleibende Rest verweist darauf, dass Nauman nicht darauf zielt, das Verstehen scheitern zu lassen (das wäre ein ‚restloses‘ Ergebnis), sondern ein nicht zu Ende zu bringendes Spiel zwischen einander ausschließenden Verstehensvollzügen zu eröffnen. Die konkrete psychophysische Erfahrung und das reflexiv zu gewinnende Wissen halten sich gegenseitig in Schach, so dass weder die negative Erfahrung (qua Misslingen, Spaltung, Ausgestoßensein) noch das positive Wissen (qua Aufdecken der ‚Maschinerie‘ der Installation oder qua Selbsterkenntnis) triumphieren. „Wenn man merkte“, so beschreibt Nauman diesen Effekt am Beispiel der Corridor Installation, „dass man auf dem Bildschirm war, empfand man das Weitergehen im Korridor, als würde man über eine Klippe treten oder in ein Loch hinein. […] Man wusste genau, wie das zustande kam, weil man das ganze Equipment und was es machte, sehen konnte. Aber jedes Mal, wenn man wieder in den Korridor hineinging, machte man dieselbe Erfahrung. Man konnte ihr nicht aus dem Wege gehen.“ Corridor Installation erzeugt eine unaufhebbare Spannung zwischen einem Sinn, der von der konkreten Arbeit ablösbar scheint – und den die Nauman-Interpreten je nachdem anthropologisch, politisch, moralisch oder aufklärerisch auffassen – und der Materialität, an die der Sinn zurückgebunden bleibt, wobei unter Materialität alle von Nauman eingesetzten Komponenten zu verstehen sind, also die Aufbauten und ihr Material, das Licht, die Closed-Circuit-Technik usw. Zum ‚Stil‘ der Arbeiten gehört, dass sie ihre materielle Seite nicht nur offen legen, sondern oft ein wenig gebastelt erscheinen. Nauman insistiert auf der Theatralität seiner Werke: Die Erfahrung, die wir machen, soll buchstäblich unter unseren Augen entstehen. So gleicht auch die Beziehung zwischen der spezifischen, unmittelbar ans Werk gebundenen Erfahrung und davon ablösbarem, generalisierbarem Sinn einer Closed-Circuit-Schleife, die lediglich immer wieder durchlaufen werden kann. Das Kunstwerk gibt uns allerdings die Chance, die Plötzlichkeit, Unverständlichkeit und Unbestimmtheit sozusagen gerahmt wahrzunehmen. Man wird von Naumans Räumen, ihrem Licht und/oder ihrem Ton, angezogen, tritt in sie ein, geht durch sie hindurch und verlässt sie schließlich wieder, das heißt, man kann Vor- und Rückschau halten auf eine räumlich und zeitlich eingegrenzte Situation. Nicht zuletzt deshalb kehrt Nauman das Gebastelte so deutlich hervor: Die Installationen sollen als modellhafte Welten, als Situationen des Als-ob kenntlich werden. Darin liegt ein entlastendes Moment, das deren Erfahrung von traumatischen Alltagserfahrungen abhebt und vielleicht als ästhetische Lust zu bezeichnen wäre. Zuweilen verführen sie auch zum Lachen, da der Durchgang durch die Korridore in die Erfahrung mündet, wie sich eine gespannte Erwartung gleichsam in nichts auflöst. Verlässt man Corridor Installation, fällt es entsprechend schwer, den Inhalt und die Bedeutung dieser Erfahrung zu bestimmen, das heißt, sie in eine verallgemeinerbare Erkenntnis über das Subjekt oder über die Welt umzumünzen. Vielmehr bleibt sie an die „unbarmherzige Spezifität“ der Erfahrung gebunden, auf die Nauman sein besonderes Augenmerk richtet. Obschon seine Kunst keinen Zweifel daran lässt, dass sie aufs Ganze geht, bleibt dieses Ganze – der versammelnde Sinn, die Totale der Wahrheit – in radikaler Weise offen. Statt dass wir die Arbeit begreifen könnten, verhält es sich umgekehrt. Man wird von der Arbeit ‚ergriffen‘, und die ‚Erkenntnis‘ ist in erster Linie physischer Natur: ein „Loch“, in das man tritt, eine „Klippe“, über die man stolpert. „Ich habe von Anfang an versucht“, sagt Nauman, „Kunst zu machen […], die sofort voll da war. Wie ein […] Schlag ins Genick. Man sieht den Schlag nicht kommen, er haut einen einfach um.“
Indem die Erfahrung von Corridor Installation die Verstehensvollzüge auseinander laufen lässt, offenbart sie das Prozessieren der Subjektivität selbst – sofern man Subjektivität als ein Medium versteht, das, um seine Vermittlungsleistung zu erbringen, die Spaltung gerade voraussetzt. Die Kunst, die Nauman als „die eigentliche Tätigkeit“ versteht, wäre also darin ‚eigentlich‘, dass sie die Kräfte und Vollzüge der Subjektivität, die dem Bewusstsein vorausgehen und damit in einem funktionalen Sinn unbewusst sind, Form gewinnen lässt. Wollte man Naumans Kunst im Sinne Umberto Ecos als Metapher für das Selbstverständnis der eigenen Epoche deuten, so wäre vielleicht am ehesten davon zu sprechen, sie stehe für die ernüchternde Erfahrung, dass die wachsende Offenheit unserer Lebenswelt nicht nur zu größerer Freiheit führt, sondern zugleich andere, nicht minder bestimmende symbolische Ordnungen ans Licht treten lässt. Im Falle Naumans sind dies Ordnungen, die im 20. Jahrhundert vor allem die Psychoanalyse aufzuhellen versuchte. Sie haben den kränkenden Zug, zugleich dominant und unbewusst zu sein, das heißt – in Freuds eigenen Worten -, „nur durch eine unvollständige und unzuverlässige Wahrnehmung dem Ich zugänglich und ihm unterworfen“ zu werden. Wer in Naumans Korridoren umhergeht, erscheint als jenes Ich, das nach Freuds Diktum nicht Herr im eigenen Haus ist. Diese Erfahrung lässt sich weder transzendieren noch in positives Wissen überführen; und worin der Sinn dieser Unbehaustheit besteht, bleibt ungewiss. In ebendieser Offenheit, in die wir entlassen werden, besteht das Risiko von Naumans Kunst.

Kapitel I: Aktivität und Passion
Kapitel II: Nauman und das „offene Kunstwerk“
Kapitel III: Vom Werk zur Performance
Kapitel IV: Von der Performance zur Installation
Punkt Bruce Nauman Kapitel V: Das Spiel (mit) der Subjektivität
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Die eigentliche Tätigkeit als Druckversion (PDF mit Abb. u. Fn. 869 KB)

Bruce Nauman Installationen Corridors Corridor Installation

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Die eigentliche Tätigkeit. Aktion und Erfahrung bei Bruce Nauman

in: Auf der Schwelle. Kunst, Risiken und Nebenwirkungen, hrsg. von Erika Fischer-Lichte, Robert Sollich, Sandra Umathum und Matthias Warstat, München 2006, S. 57-74.

Kapitel IV: Von der Performance zur Installation

Als sich Nauman die Frage stellte, wie er diese Konzeption von der eigenen Person ablösen und für andere öffnen könnte, entwickelte er die Werkgruppe der Corridors. Im Hinblick auf den Bezug zwischen Naumans künstlerischem Ansatz und Ecos Konzept des „offenen Kunstwerks“, aber auch im Hinblick auf die Aktivierung des Betrachters stellen die Corridors die wohl einschlägigste Werkgruppe in Naumans Œuvre dar. Es handelt sich um mehr oder weniger geschlossene, aus Brettern und Latten roh gezimmerte Partial-Räume, die innerhalb eines bestehenden architektonischen Raumes aufgebaut werden. Sie sind installative, skulpturale Werke und zugleich Versuchsanordnungen, in denen der Betrachter – oder eher: Benutzer – auf einen Parcours geschickt wird, so wie es Nauman in den Performances mit sich selbst tat. Die Arbeiten sind insofern ‚offene Kunstwerke‘, als sie erst durch den Benutzer vervollständigt werden. Der Umgang mit dem Werk ist dabei keineswegs frei, sondern wird einer rigiden Kontrolle unterworfen. Mit einer Wendung Umberto Ecos gesagt: Ehe es ein Feld von zu treffenden Wahlen wird, ist es schon ein Feld getroffener Wahlen. Nauman eröffnet Möglichkeiten nur, um sie wieder einzuschränken; in der limitierten Offenheit der Korridore ist es die Limitierung und nicht die Offenheit, welche die Oberhand behält. Die Arbeiten affizieren die psychophysische Sensorik auf verschiedene Weise: durch den Entzug vertrauter Weite, Geräusch dämmende Wände oder ungewöhnliches Licht, was insgesamt einen Effekt des Unausweichlichen erzeugt. Allerdings verhält sich die Präzision der Versuchsanlagen umgekehrt proportional zur Unbestimmtheit dessen, was aus deren Erfahrung folgt.
In der frühesten Arbeit dieser Werkgruppe, Corridor Installation von 1970, zimmert Nauman ein Gehäuse mit sechs oben offenen Gängen verschiedener Breite (Abb. 3). Der erste Korridor ist verschlossen und nicht einsehbar, der zweite nur wenige Zentimeter breit. Der dritte schließlich bietet gerade ausreichend Platz für eine Person. (Abb. 4) An seinem hell beleuchteten Ende sind zwei Monitore übereinander gestellt, die beide das Bild des leeren Gangs zeigen. Tritt man in diesen Gang ein, wird man nach ungefähr einem Viertel des Weges von einer über dem Eingang positionierten Kamera erfasst und erscheint gleichzeitig, da es sich um eine Closed-Circuit-Schleife handelt, auf dem oberen der beiden Monitore – allerdings aufgrund der Kameraposition von oben und von hinten gesehen. Erst wenn man zu gestikulieren beginnt, wird deutlich, dass hier kein Anderer sichtbar wird, sondern die verkehrte Sicht auf sich selbst. Je näher man dem Monitor kommt, desto kleiner wird man im Bild, da man sich gleichzeitig von der Kamera wegbewegt. Auf diese Weise überkreuzt sich die Körpererfahrung zunehmender räumlicher Enge mit dem Beobachten des eigenen Verschwindens im Raum. Wenn man sich, auf der Suche nach der Kamera, umwendet und in deren Linse blickt, erscheint man auf dem Monitor in Frontalansicht, kann dies aber nicht sehen, da dieser jetzt im eigenen Rücken liegt. So erzeugt die Kamera-Monitor-Schleife einen ‚Spiegel‘, der die Selbstbegegnung im selben Zuge ermöglicht und verweigert. Während all dem zeigt der untere Monitor fortwährend das Bild des leeren Gangs, das die Kamera vorab aufnahm und nun von einem Videoband in Endlosschleife abgespielt wird.
Während der vierte Gang wiederum zu schmal zum Betreten ist, befindet sich am Ende des fünften, nach hinten dunkler werdenden Gangs erneut ein Monitor. Er zeigt das Schwenkbild einer Kamera, die eine leere Raumecke hin und her schweifend absucht. (Abb. 5) Als Ursprung dieses Überwachungsbildes kommt – wie man schließlich vermuten muss – nur der verschlossene erste Korridor in Frage. Das aber bedeutet eine Verkehrung der üblichen Überwachungsperspektive. Wir werden nicht von einer Kamera erfasst, die unser Bild in einen uns verborgenen Kontrollraum übermittelt, sondern sehen das Kontrollbild eines Ortes, der für uns unzugänglich bleibt.
Über dem Monitor mit dem Schwenkbild ist eine zum Betrachter/Benutzer gerichtete Kamera installiert, deren Bild auf einen im benachbarten sechsten Gang positionierten Monitor gespielt wird. Wechselt man zu diesem letzten Gang hinüber, sieht man, wie eine Figur gerade aus dem Monitor verschwindet. Auch darin erkennt man schließlich sich selbst, festgehalten im Wechsel vom Korridor, der das eigene Bild aufnimmt, zum Korridor, in dem es abgespielt wird. Über diesen sechsten Korridor verlässt man die Installation schließlich wieder. Man hat also zunächst sein Bild aus dem Monitor verschwinden sehen, bevor man als realer Körper den realen Raum der Installation verlässt.
Wer sich in Corridor Installation bewegt, erfährt sich im Zuge eines Experiments, das keine zu lösende Aufgabe darstellt, sondern die Exploration dessen, was einer erfolgreichen Lösung entgegensteht. Zwar ist man als Umhergehender der Gemeinte, für den die Anlage aufgebaut ist wie das Laufrad für den Hamster. Zugleich aber erfährt man sich als Störung im System, als auftauchender und wieder verschwindender Fleck im Bild, als eine Art Überschuss. Denn das Umhergehen in der Installation führt nicht nur zur Dezentrierung des Selbst, sondern auch zu einer Störung der harmonischen Selbstbespiegelung des leeren Raums. Solange sich niemand in der Installation aufhält, spiegeln sich leerer Raum und leere Monitore ineinander, und zeigen die beiden übereinander gestellten Monitore das identische Bild jenes leeren Ganges, an dessen Ende sie aufgestellt sind. Nauman, der Subjektivität als Kontaktgrenze von Körper und Raum begreift, inszeniert hier deren Umschlag beider ineinander. Das Subjekt wird verräumlicht, indem es sich plötzlich anderswo und von außen sehen kann – von einem Punkt aus, von dem wir normalerweise lediglich gesehen werden, so wie wir im Zuge des Herumgehens in der Installation von den anderen Betrachtern/Benutzern der Installation gesehen werden. Überdies werden körperlich erfahrener Realraum und über Monitore eingeblendeter Sehraum – oder in Kunstgattungen gesprochen: Corridor Installation als Skulptur und Corridor Installation als Videoarbeit – gegeneinander ausgespielt. Nauman selbst formuliert es folgendermaßen:
„Da gibt es den realen Raum und das Abbild des realen Raums, und das sind schon zwei ganz verschiedene Dinge. Man hat also in gewissem Sinne zwei Arten von Information, einerseits die reale Information, dass man sich an einer Wand, im Raum, innerhalb einer Eingrenzung befindet, und man hat andererseits Informationsbruchstücke, die einen eher intellektuellen Umgang mit der Welt darstellen. Mir schien interessant, diese beiden Informationen zusammenzubringen: physische Information und visuelle oder intellektuelle Information. Die Spannung entsteht aus der Erfahrung, dass die beiden nicht zusammenzubringen sind.“
Die Dekonstruktion des perspektivischen Sehens, das von einer klaren Scheidung von beobachtendem Subjekt und beobachtetem Anderen sowie von nicht reversiblen Blicklinien ausgeht, ist nicht ohne Pointe bei einer Arbeit, die aus lauter Korridoren, also aus lauter perspektivischen Sehkanälen besteht.
Der Spaltung und Verräumlichung des Selbst entspricht umgekehrt eine Subjektivierung des Raums, der mit seinen unterschiedlichen Lichtverhältnissen und Raumweiten sowie mit seinen oft weniger den Ausstellungsbesucher als vielmehr sich selbst beobachtenden Kamera-Monitor-Systemen so wirkt, als hätte er selbst eine Psyche, in deren Kraftfeld man eintritt. Dies gilt nicht nur für Corridor Installation. Viele von Naumans Raumarbeiten spielen mit der Verkehrung von Innen und Außen, Subjekt und Raum. Darauf verweisen schon Titel wie Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care von 1984, Dream passage von 1983 oder der Titel der Raum-Ton-Installation Get Out of My Mind Get Out of This Room von 1968 (Abb. 6 u. 7). Die letztgenannte Arbeit besteht aus einer nackten weißen Raumschachtel, in deren Wände Lautsprecher eingelassen sind. Sie empfangen den Eintretenden mit der Forderung, die der Arbeit ihren Titel gibt: Geh mir aus dem Sinn, geh raus aus diesem Raum – eine Forderung, die Naumans Stimme in unterschiedlichsten Tonlagen, Geschwindigkeiten und Betonungen spricht, schreit und flüstert und in Endlosschleife wiederholt. Die Subjektivierung des Raums – das Ineinanderfließen von ‚mind‘ und ‚room‘ – ist dabei im Lichte der Performance-Filme zu sehen, deren Struktur zu überwinden die Corridors entwickelt wurden. Mit ihnen gelang es Nauman nicht nur, seine Kunst auf den Betrachter hin zu öffnen, sondern zugleich, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen. Er verschwindet als körperliche Präsenz aus dem Werk und erzeugt statt dessen eine anonyme und ungreifbare psychische Aufladung des Raums. An die Stelle der Begegnung zwischen Performer und Betrachter (die bei Nauman allerdings über das filmische Medium vermittelt wurde), tritt die Begegnung zwischen Betrachter und Raum, wobei sich Naumans Zurücktreten als Performer und die Aktivierung des Betrachters zum Quasi-Performer asymmetrisch entsprechen. Das Zurücktreten des Künstlers hinter die Werkstruktur steht dabei in direktem Zusammenhang mit deren kalkulierter Offenheit. Gefragt nach der widersprüchlichen, Lücken produzierenden Struktur der Installationen, verweist Nauman auf seine Angst, sich in den Arbeiten zu exponieren und die Menschen zu nahe an sich herankommen zu lassen. Offenheit wird zu einer Distanzierungsstrategie.

Kapitel I: Aktivität und Passion
Kapitel II: Nauman und das „offene Kunstwerk“
Kapitel III: Vom Werk zur Performance
Punkt Bruce Nauman Kapitel IV: Von der Performance zur Installation
Bruce Nauman Pfeil Kapitel V: Das Spiel (mit) der Subjektivität
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