Rhetorik Wahrheit Text Linguistic turn

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Wahrscheinlichkeit. Zur Rhetorik der Kunst

in: Daidalos 64, Juni 1997 (Sondernummer „Rhetorik), S. 80-89.

Abschnitt I

Der „Dornröschenschlaf“, den Walter Jens die Rhetorik noch in den 1960er Jahren schlafen sah, ist unerwarteter Wachheit gewichen. Aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln rückte sie seither ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Hermeneutik, der Dekonstruktivismus, die Philosophie in der Nachfolge des linguistic turn, strukturalistische Semiotik und moderne Textlinguistik, ja selbst die im Begriff der Kommunikation zentrierte Gesellschaftstheorie Habermas‘ oder Luhmanns – alle diese unterschiedlichen und teilweise unvereinbar scheinenden Theorien eint, daß sie von der Unmöglichkeit einer objektiven, rein denotierenden Sprache ausgehen und „Wahrheit“ als Ergebnis eines offenen Kommunikationsprozesses begreifen. „Wahrheit“ ist eine gesellschaftliche Übereinkunft auf Widerruf, die auf rhetorischem Wege zustande kommt, d.h. durch eine Sprache, die auf Überzeugung ausgerichtet ist. Ist jedes Wissen davon, was „wahr“ ist, das Ergebnis von Kommunikation, so wird zugleich die „Wirklichkeit“ zu einem einzigen „Text“. Die Rhetorik, verstanden als Theorie der kommunikativen Wirklichkeitsproduktion, wird zur Instanz, die diesen Text „lesbar“ machen soll. Das gilt nicht nur für den „Supertext“ der „Welt“, sondern ebenso für die einzelnen „Subtexte“ kultureller Objektivationen, also neben der Sprache für die Musik, den Film, die Medien, die Politik – und für die Kunst.
Mit der traditionellen Vorstellung von Rhetorik hat dieser maximalistische Rhetorikbegriff nur wenig zu tun. Diese war ein auf die Praxis des Redens ausgerichtetes Regelinventar, das in der griechischen und römischen Antike kodifiziert wurde und seine Wirkung bis weit in die Neuzeit hinein entfaltete. Als „Kunst des guten Redens“ schläft die Rhetorik noch immer ihren „Dornröschenschlaf“, aus dem sie wahrscheinlich auch nicht mehr erwachen dürfte. Als Quelle des Verständnisses sprachlicher Artikulation, d.h. als Mittel der Interpretation, ist sie gleichwohl unverzichtbar. So gibt es neben den eingangs genannten Theorien, die sich der Rhetorik in systematischer Hinsicht nähern, den historischen Zugang, der ihre Geschichte und ihren Einfluß in den verschiedenen Epochen und Bereichen verfolgt. Solches ist auch für die Kunst möglich und notwendig. Vor allem die Zeit zwischen 1400 und 1800 zeigt sich als Blüte der Rhetorik in der Kunst. Als die Renaissance eine Neuformulierung der Poetik, d.h. der Lehre von der künstlerischen Produktion unternahm, griff sie auf die antike Rhetorik als dem einzigen Regelwerk zurück, das eine systematische Ausdrucks- und Wirkungslehre bot. Die Ziele der Rede (informieren, berühren und erfreuen), ihre Elemente (Inhaltsfindung, Anordnung und Ausdruck), die verschiedenen Stilhöhen (bescheidener, mittlerer und erhabener Stil), die Auffassung von Angemessenheit und Geschmack als der Ausbalancierung von Natur und Kunst, usw.: All diese Unterscheidungen und Anweisungen wurden in die Poetik der Kunst hinübergenommen und entfalteten ihre unübersehbare Wirkung, etwa in der Hierarchie der Gattungen oder in der Lehre vom decorum, der Lehre von Anstand und Maß. Für den einflußreichen Traktat Albertis Über die Malerei (1436) läßt sich das bis in die einzelnen Formulierungen hinein verfolgen. Der Barock wiederum bringt mit seinem großen Interesse an Emblematik und Allegorie, die beide Zwischenformen von Sprache und Bild sind, sowie am Wirkungsziel des Berührens (movere) die Rhetorisierung der Kunst zu einem Höhepunkt, der sich z.B. in Rubens‘ Zyklus für Maria de‘ Medici (1622/25) manifestiert. Solche Werke lassen sich ohne Kenntnis der antiken rhetorischen Lehre nicht angemessen verstehen. In diesem Feld hat die Methode der Ikonologie Wichtiges geleistet. Doch mit der Ablösung der Regelpoetik durch die philosophische Ästhetik sowie mit dem Aufkommen der neuen künstlerischen Leitkategorien des Genies und der Originalität verblaßt gegen 1800 die Wirkmacht der Rhetorik. Die nach Autonomie strebende Kunst der Moderne sucht nicht nur jede Außenregelung abzuwerfen, sondern sie verschärft außerdem den Gegensatz von Bild und Wort, der das Ende der allegorisierenden Kunst zur Folge hat. Die Moderne erweist sich als geradezu anti-rhetorische Epoche. Daß die Rhetorik gerade in den 60er Jahren aus dem Vergessen geholt wird, fällt nicht zufällig mit dem Beginn der postmodernen Modernekritik zusammen. Wenn also die Rede vom Rhetorischen der Kunst nicht nur für die Zeit vor 1800, sondern auch für die Kunst der Moderne begründet sein will, dann scheinen wir gezwungen zu sein, den traditionellen Begriff der Rhetorik zu verlassen und uns der neuen, maximalistischen Definition zuzuwenden, für die der ausdrückliche Bezug eines Kunstwerks auf bestimmte rhetorische Regeln keine Bedingung darstellt, um es als rhetorisch zu begreifen.

Punkt Abschnitt I
Pfeil Abschnitt II
Abschnitt III
Abschnitt IV
Abschnitt V
Abschnitt VI
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Arnold Gehlen Nationalsozialismus Entartete Kunst Moderne

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Die innere Galeere der Freiheit. Zu einigen Motiven in Arnold Gehlens „Zeit-Bildern“

in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 159, 12./13.7.1997, S. 66.

Kapitel III: Stetigkeit des Denkens

Gehlen ist selbst biographisch und wissenschaftlich tief in den Nationalsozialismus verstrickt. Er distanzierte sich später nie von seinem damaligen Denken, sondern strich aus seinen Texten lediglich die kritischen Passagen. Es liegt auf der selben Linie, wenn er noch 1960 mit Argumenten hantiert, die 1937 die Säuberung der Kunst zu legitimieren hatten. Der Ton klingt sachlicher, Völkisches fehlt, und die schlimmsten Anwürfe werden nicht auf bestimmte Künstler, sondern auf eine eigentümlich anonyme Moderne bezogen, die irgendwo zwischen dem Impressionismus und der eigenen Gegenwart schwebt.

Gehlen begegnet der modernen Kunst mit einer Aggressivität, die vermuten lässt, die Kunst habe hier wie so oft Ressentiments aufzufangen, die sich gegen anderes richten. Was Gehlen an der Kunst kritisiert, meint denn auch die Gesellschaft im ganzen: die angebliche Nivellierung nach unten, die Inflation der Subjektivitäten, das Schwinden des Gehorsams, der allgemeine Sittenzerfall. Und der Künstler wird angegriffen als derjenige, in dem das Haltlose des modernen Menschen beispielhafte Gestalt gewinnt. Das Indirekte der Attacke gehört ebenfalls zur „sonderbar verschlüsselten Beweisführung“ (Gadamer) des Buches, und vielleicht ist sie die Erklärung dafür, warum sich hier Passagen von einer Drastik finden, die Gehlen gewöhnlich meidet. Umso seltsamer mutet es an, dass die „soziologische“ Seite der „Zeit-Bilder“ so wenig Widerspruch hervorrief. Gehlens Argumentation darf jedoch auch dann nicht ausgeblendet werden, wenn nur die so diskutabel erscheinende These von der „Kommentarbedürftigkeit“ der modernen Kunst aufgegriffen wird. Zu dicht ist diese These mit dem Ganzen des Buches verwoben.

Der wissenschaftlichen Qualität und dem Denkstil der „Zeit-Bilder“ ist es angemessen, zwar der populären Kulturkritik Schlagworte geliefert zu haben, jedoch nicht in den Kanon moderner Ästhetik und Kunstwissenschaft aufgenommen worden zu sein. Insofern haben sich die „Zeit-Bilder“ nicht „institutionalisiert“. Gehlen aber wusste selbst, dass „die Überlebenszeit einer Gesinnung, der die Aussenstützung durch Institutionen entzogen ist, eine messbare Dauer von höchstens zwei bis drei Generationen hat.“

Kapitel I: Einleitung
Kapitel II: Die Kunst als Führungselement
Punkt Gehlen Kapitel III: Stetigkeit des Denkens
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Arnold Gehlen Mensch Mängelwesen Kunst Funktion

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Die innere Galeere der Freiheit. Zu einigen Motiven in Arnold Gehlens „Zeit-Bildern“

in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 159, 12./13.7.1997, S. 66.

Kapitel II: Die Kunst als Führungselement

In seinem Hauptwerk „Der Mensch“ (erstmals erschienen 1940) definiert Gehlen den Menschen als „Mängelwesen“, das, um sich im Dasein zu halten, rechtlicher, religiöser und sittlicher „Institutionen“ bedarf. In den „Institutionen“ als gesellschaftlichen Tatsachen verkörpern sich die massgeblichen „Führungsideen“ einer Kultur oder einer Gesellschaft. Sie geben dem Menschen die nötige Orientierung und „entlasten“ ihn vom Daseinsdruck. Gleichzeitig dienen sie dazu, seine „Antriebsenergie“ so zu lenken, dass sie nicht ziellos oder sogar gefährlich wird. – Die Kunst steht für Gehlen im Dienst dieser Führungsstruktur. Ihr kommt die doppelte Aufgabe zu, die herrschende Macht zu repräsentieren und zugleich die Auffassungen jedes Einzelnen zu bestimmen. So heisst es in „Zeit-Bilder“:

„Keine Macht, welche sich zur Herrschaft im entschiedenen Sinn berufen fühlt, kann darauf verzichten, das Bewusstsein des Menschen zu besetzen, und die Endgültigkeit ihres Anspruchs drückt sich darin aus, dass sie dieses Bewusstsein vollständig bestimmt: also bis in die Anschauungen hinein. Was daher, vom einzelnen Menschen her gesehen, als Aussenhalt des Inneren erscheint, stellt sich von den Institutionen aus als Repräsentation dar; denn sie verkörpern sich in sichtbaren und daseinsmächtigen Symbolen, unter denen die Künste stets einen hohen Rang einnahmen.“

Die Kunst hilft also tätig mit, das Innere des Menschen mit dem Anspruch der Macht in Übereinstimmung zu bringen. Wenn das gelingt und die „Institutionen“ sich im Innern des Einzelnen spiegeln, dann herrscht die „Fraglosigkeit des Normnatürlichen“. Der Mensch befindet sich „normativen Gleichgewicht“.

Indem Gehlen die Kunst als Stütze der gesellschaftlichen Stabilität versteht, weist er ihr einen eindeutigen Zweck zu. Das Ästhetische an der Kunst bezeichnet er als „folgenlos“. Relevant wird die Kunst erst, sobald sie nicht l’art pour l’art, sondern „l’art pour le roi“ oder „pour l’eglise“ ist. Ihren Zweck kann sie also nur erfüllen, wenn sie sich „dienend“ verhält. In ihrer höchsten Form lebt sie als „prachtvoller Parasit der Herrschaft“, der sich „in Gehorsam, im Hinhören“ übt. So ist die Kunst in doppelter Weise auf das Geltende verpflichtet: als dessen normierte Spiegelung und als dessen normierende Festschreibung zugleich. Sie entspricht damit den übrigen Elementen des „Führungssystems“, die ebenfalls gleichzeitig „auf Aneignung und Kontrolle der Wirklichkeit hin gezüchtet“ sind.

Es gehört allerdings zur Eigenart von Gehlens Kunstauffassung, dass diese nicht nur als Element der Führung auftritt, sondern selbst führungsbedürftig ist. Denn sie stellt, analog zum Menschen, ein „Mängelwesen“ dar. Ihr Mangel liegt in ihrer „fundamentalen Begriffslosigkeit“, sodass ihre Ausdrucksweise, die bildnerische Gestaltung in Form und Farbe, „ein irrationales blosses Datum“ bleibt. Um der Irrationalität zu entkommen und rational zu sein – und „Rationalität“ ist die Hauptforderung Gehlens an die Kunst -, muss sie sich an ausserbildlich vorgeprägte Gehalte „anlehnen“.

Aus der Perspektive des Logos-Mangels heraus entfaltet Gehlen die Geschichte der Kunst als Geschichte der jeweiligen „Lösung“ ihres grundlegenden „Problems“. In der Feudalgesellschaft gelingt es ihr, indem sie sich für grosse heroisch-historische Auftritte zur Verfügung stellt, in der Renaissance durch die Ausrichtung auf die mathematisch-geometrischen Wissenschaften, im bürgerlichen Zeitalter schliesslich durch die realistisch korrekte Mimesis der alltäglichen Dingwelt.

In der „nachbürgerlichen Industriegesellschaft“ der Moderne verflüchtigen sich die Möglichkeiten der „Anlehnung“. Die Photographie löst die Aufgabe der Realitätsdarstellung besser, die Wissenschaft wird unanschaulich und damit der künstlerischen Imagination unzugänglich, die Natur bildet nicht mehr die selbstverständliche Umgebung des Menschen, und schliesslich lässt die „unaufhaltsame Demokratisierung“ die repräsentative Funktion der Kunst „leerlaufen“. Dem freigesetzten Künstler ohne jeden „Aussenhalt“ bleibt nur der Weg ins Innere seiner Subjektivität. Kronzeuge für diese Wendung ist die Abstraktion, die den letzten Bezug zur Wirklichkeit, die Darstellung wiedererkennbarer Gegenstände, aus sich ausstösst und auf diese Weise den „roten Faden der Bildlogik“ verliert. Ohne Halt in der begrifflichen Rationalität wird das Bild zurückgeworfen auf die reine Form, d.h. auf das zweck- und folgenlose Ästhetische. Es bleibt nichts an ihr, „was in Moral, Erziehung, Dienst am Volke oder Weltanschauung umgesetzt werden könnte“.

Damit hat die moderne Kunst ihre Daseinsberechtigung verwirkt. Sich dem möglichen Einwand zuwendend, wie das dennoch anhaltende, ja sogar wachsende Interesse der Öffentlichkeit an der Kunst zu verstehen sei, erklärt Gehlen, dieses könne auch dem schon Abgestorbenen gelten, darin liege der Unterschied von Natur und Kultur: „Scheintot ist eine biologische, scheinlebendig eine kulturelle Kategorie.“

Indem Gehlen die Kunst auf eine Aussensteuerung festlegt, durch die sie erst einen Sinn und einen Zweck erreicht, verwehrt er ihr gleichzeitig jede Freiheit und Autonomie, zudem jede Expressivität oder Emotionalität. Bildnerische Ausdrucksform, Subjektivität und Irrationalität werden gleichgesetzt. So kann Gehlen eine Kunst als „sinnentleert“ und „abgestorben“ bezeichnen, die sich, wie angeblich die Moderne, der blossen Subjektivität verschreibe. Doch bereits die vormoderne Kunst Michelangelos oder Rubens‘ bleibt missverstanden, wenn deren eigentliche, weil „rationale“ Leistung in der Unterordnung unter das ausserbildlich Geltende gesehen wird, während die künstlerische Formulierung, die einen Rubens erst zu einem Rubens macht, als „irrationales blosses Datum“ abgetan wird.

Wie die Konzeption des Menschen als „Mängelwesen“ Probleme aufwirft, so auch die entsprechende Auffassung der Kunst. Wenn die Kunst tatsächlich an einem derart fundamentalen Mangel litte, wie ihn Gehlen in der Begriffslosigkeit und der daraus folgenden Irrationalität erblickt, dann wird unverständlich, warum sie nicht längst untergegangen ist. Ihr hartnäckiges Fortbestehen in immer neuer Gestalt und unter immer neuen Bedingungen gibt vielmehr Anlass, ein eigenes, von nichts anderem zu leistendes Vermögen zu bestimmen. Doch dieses besteht genau in dem, was Gehlen ihr nicht zubilligen will: in der Möglichkeit einer autonomen Stimme in Gestalt der bildnerischen Einbildungskraft, die als ursprüngliches Vermögen keiner „Anlehnung“ bedarf. Es kann sich nur entfalten, wenn die Kunst sich nicht auf die Mimesis des normativ Geltenden reduzieren lässt. Erst indem die Kunst über die Abhängigkeit von ihrem Entstehungszusammenhang reflektiert, gelingt ihr das Transzendieren der alltäglichen Bedingtheiten, das sie unvorhersehbar und ereignishaft werden lässt. In der immer neu formulierten Beziehung zur Wirklichkeit und im Schwebezustand zwischen Realitätsgebundenheit und Autonomie liegt das eigentliche Potential der Kunst.

Gehlen hingegen sieht die Autonomie – wörtlich die Eigengesetzlichkeit -, mit der die Kunst sich zur Wirklichkeit ins Verhältnis setzt, allein negativ als die „Abtrennung vom Bedingungslosen“. Auf diese Weise bleibt ihm die ästhetische Bedeutung der Kunst verschlossen – und auch die gesellschaftliche: Denn der Anspruch an den Betrachter, in einem Akt der Interpretation die Balance von Autonomie und Wirklichkeitsbezug, die das jeweilige Werk charakterisiert, nachzuvollziehen und zu deuten, erzeugt nicht nur die Lust der Betrachtung in ihrer Mischung aus Wirklichkeitserkenntnis und Verführung. Dieser Anspruch erschliesst dem Betrachter zugleich die aufklärerische und emanzipatorische Dimension der Kunst. Das Verstehen des Kunstwerks bedeutet nämlich, auch das eigene Verhältnis zur Realität und den eigenen Realitätsbegriff ins Spiel zu bringen und revidierbar zu halten. Davon aber kann Gehlen, der von der Kunst wie vom Menschen die Unterwerfung unter die „Fraglosigkeit des Normnatürlichen“ verlangt, nichts wissen wollen.

Es ist weder plausibel noch erkenntnisfördernd, die Analyse und die Geschichte der Kunst von einem angeblichen Mangel her anzugehen. Doch das Mangelargument erfüllt eine strategische Funktion. Aus dem behaupteten Mangel folgt auf „natürliche“ Weise, dass die Kunst sich nicht aus sich selbst begründen kann und erst in der Ausrichtung auf das ausserhalb ihrer Geltende den nötigen „Aussenhalt“ findet, der ihr prekäres Dasein stabilisiert. Erst das Mangelargument bereitet den Boden für die sonst unbegreiflich bleibende Forderung nach Dienst und Gehorsam.

Auf dieser Basis wird nun mit dem modernen Künstler, der seine Rolle im „Führungssystem“ nicht mehr erfüllt, abgerechnet. Hier offenbart sich die eigentliche Intention des Buches, zudem zeigt sich das reaktionäre und autoritäre Denken seines Autors in aller Deutlichkeit. Gehlen beginnt mit der Vermutung, die Freiheit, die sich der moderne Künstler errungen habe, sei gar nicht wirklich gegeben, sondern er werde nur in einer neuen Weise „eingeschnürt“. Da der Künstler keine Aussenbedingungen der Malerei mehr anerkennt – z.B. Naturähnlichkeit, Tradition oder Ikonographie -, muss ihm notwendig das Bild selbst zur Inspirationsquelle werden. Es etabliert sich eine zirkuläre Kommunikation zwischen dem Künstler und seinem Produkt.

„Die ganze Produktion strebt tangential ins nicht Nachvollziehbare weg, das Sicheinwühlen in eine abgeschnürt-immanente Entwicklung ist nicht mehr anzuhalten, es gibt für sie keine inneren Kontrollinstanzen mehr, geschweige denn äussere. […] Das weder von aussen, von den Regeln der Gesellschaft und der Kunst, noch von innen her mehr kontrollierbare Innere findet seine eigenen Zwangsabfolgen, es verschlingt seine Geburten selbst und erzeugt sie bis ins Unendliche neu. […] Das ist es, was auf den hohen Ebenen von der gerühmten Freiheit des Künstlers übrig bleibt: die innere Galeere.“

Was Gehlen hier beschreibt, ist das Abgleiten des Künstlers in den einsamen Wahn, oder, wie es an anderer Stelle deutlicher heisst, in die „Psychopathie“. Zeugen eines solchen Prozesses sind Künstler wie Cézanne, Kandinsky oder Picasso. Mondrian kommt als „Verschrobener“ vergleichsweise gut weg, besondere Ablehnung trifft die expressionistischen „Normvernichter“ und „Selbstverbrenner“. Solche Künstler verletzen nicht nur jedes moralische Gefühl, sondern brechen selbst die „biologisch vorgegebenen Gestaltungsgesetze des Auges“.

Wenn der moderne Künstler so massiv gegen alles vorgeht, was „natürlich“ ist, verkehrt sich die systemstablisierende Funktion der Kunst in ihr Gegenteil. Der moderne Künstler provoziert nicht nur seine eigene „Pathologisierung“, sondern legt gleichzeitig „Sprengladungen an die kulturellen Grundmauern und Stützpfeiler.“ In einer solchen Situation aber entsteht Handlungsbedarf.

„Wenn sich so etwas durchsetzt, gibt es Ausstrahlungen: Das Verrückte wird verständlich und das Abnorme normalisiert, ganz allgemein und weit verbreitet gelangt das, was früher als widernatürlich, verschroben, hemmungslos oder sonstwie als tangential beurteilt worden wäre, zur Eingewöhnung, und so wird es „Natur“. […] Wenn in breiten Bereichen das Normale und das Abnorme durcheinanderrinnen und innerhalb des letzteren wieder die echte und die unechte Abnormität ununterscheidbar werden; wenn der Standpunkt fester Abgrenzungen als „konventionell“ schon fortgleitet, weil die „neue Natürlichkeit“ die Psychopathen, Träumer und Infantilen einschliesst, dann wird die Frage der Anwesenheit der Psychopathie in der Kunst gar nicht mehr behandelbar […] Und gerade innerhalb dieser Konstellation erreicht heute die Kunst eine Originalität und Normentbundenheit, eine Bewegungsfreiheit und Penetranz wie kaum je zuvor.“

Die Gefährlichkeit dieser Argumentation ist bekannt, sie hat bereits einmal ihre Durchschlagskraft bewiesen. Als die Nationalsozialisten zur Säuberung der Kunst von ihren „entarteten“ Elementen ansetzten, war der Vorwurf an die Künstler in den wenigsten Fällen politisch oder rassistisch begründet, sondern ging dahin, die gesamte Moderne als irr, verkindet und amoralisch zu diffamieren, und die Liquidierung geschah mit der Begründung, das Volk sei, um seiner Gesundheit willen, vor den Auswüchsen dieses kranken Geistes zu schützen.

Kapitel I: Einleitung
Punkt Gehlen Kapitel II: Die Kunst als Führungselement
Arnold Gehlen Pfeil Kapitel III: Stetigkeit des Denkens
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Arnold Gehlen Zeit-Bilder Kommentarbedürftigkeit Ästhetik Soziologie

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Die innere Galeere der Freiheit. Zu einigen Motiven in Arnold Gehlens „Zeit-Bildern“

in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 159, 12./13.7.1997, S. 66.

Kapitel I: Einleitung

Im Vergleich zu Gehlens anthropologischen Schriften fand das 1960 erschienene kunstkritische Werk „Zeit-Bilder“ wenig fachwissenschaftliche, dafür umso breitere feuilletonistische Beachtung. Ob das an der theoretisch oft wenig ambitionierten Kunstwissenschaft oder eher an der „sonderbar verschlüsselten Beweisführung“ (Hans-Georg Gadamer) des Buches selbst liegt, bleibe dahingestellt. Karriere machte hauptsächlich die These von der „Kommentarbedürftigkeit“ der modernen Kunst. Dagegen wurde bereits Verschiedenes vorgebracht, zuletzt von Walter Grasskamp in der „Zeit“ (22. 11. 96). Die Rezeption konzentrierte sich allerdings auf die ästhetische Argumentation des Buches. Die fragwürdigen soziologischen Thesen hingegen blieben ausgespart, obschon „Zeit-Bilder“ den Untertitel „Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Kunst“ trägt. Darauf soll hier der Blick gelenkt werden.

Punkt Marcel Duchamp Kapitel I: Einleitung
Marcel Duchamp Pfeil Kapitel II: Die Kunst als Führungselement
Kapitel III: Stetigkeit des Denkens
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Andy Warhol: Die scheinbare Wiederkehr der Repräsentation

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Die scheinbare Wiederkehr der Repräsentation. Ambivalenzstrukturen in Warhol’s frühem Werk / The apparent return of representation. Ambivalence structures in Warhol’s early work

in: Andy Warhol. Paintings 1960-1986, hrsg. von/ed. by Martin Schwander, Katalog/exhibition catalogue Kunstmuseum Luzern 1995, Stuttgart 1995, S./p. 31-53 und/and 74-78.

Deutscher Text

English translation (by Michael Robinson)

Andy Warhol screen-print portrait disaster

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The Apparent Return of Representation. Ambivalence structures in Warhol’s early work

in: Andy Warhol. Paintings 1960-1986, ed. by Martin Schwander, exhibition catalogue Kunstmuseum Luzern 1995, Stuttgart 1995, S. 43-53 and 76-78.

Chapter III

If one looks at the pictures from the point of view of the films similar qualities emerge. In their case too the „code“ of the medium („painting“) is often broken and the works harnessed to a dialectic that cannot be removed or resolved on one particular side. Let us first take an example from the extensive range available that is particularly close to the films in both form and content: Ethel Scull Thirty-six Times (fig. 5). This work is Warhol’s first commissioned portrait and dates from the same year (1963) as the first films. It consists of 36 panels in the same format; together they reach the considerable dimensions of 202 x 363 cm. The panels have different coloured grounds and show Ethel Scull, the wife of a New York taxi operator and contemporary art collector, in a different pose in each case. The picture gives the impression of being put together from individual images from a filmic portrait, as Warhol realized not only with Henry Geldzahler, Eat, or Sleep (which are all also portraits) but of the kind that he used to shoot, as so-called „Screen Tests“, of every new visitor to the Factory. For the latter the stereotypical instruction was to remain as still as possible and look, without blinking, into the camera, which was placed head-on, for the duration of the shot (three minutes: the length of a reel of film), but Warhol drove Ethel Scull to Times Square, sat her in an automatic photo booth, put the money in and said: „Now smile and start talking.“ After initial consternation (she had expected an extensive photographic sitting and so had put on an expensive model dress) Ethel Scull responded quite effusively to this challenge. About a hundred pictures were produced, and in them she laughs, runs her hands through her hair, seems lost in thought, put on her sunglasses and takes them off again – all as though she were engaged in lively conversation. If Warhol provokes a return to the quasi-fixed image in the moving medium of film then conversely in the static medium of photography he provokes a quasi-dramatic incident.

But in a similar way to Eat or Sleep, the chronological sequence of the machine-generated pictures is broken again when they are arranged to form the composite picture. Closer examination shows that Warhol used only 25 shots for the 36 panels. Eleven panels therefore represent repetitions (some reversed) and they appear to follow no discernible rule. Likewise there are only 25 different ground colours, by which means Warhol avoids printing the same photograph twice on the same ground. And so despite the repetitions the picture does not contain any identical panels. A subtle play of original and reproduction, difference and indifference comes into play. Is the reversed repetition on a different ground „the same image“? The question can be answered in both the negative and the affirmative, according to the concept of „image“ on which the decision is based. The ambivalence of multiplicity and redundancy and the random quality of the arrangement undermine the first impression that Ethel Scull Thirty-six Times reproduces a meaningful event. They are much more the aesthetic equivalent of what this actually was: abrupt gesticulation in the face of an uninvolved and immobile camera, a play-through of a limited repertoire of stereotyped poses on the basis of a request to present oneself as a show. Warhol uses the apparent approach to film narrative to redefine the process of creating a portrait. If a traditional portrait is a synthesis of the way the portraitist (painter or photographer) experienced the subject during the sittings, then Warhol’s portrait shows how Ethel Scull made herself into an image. At the crucial moment of the creative process at which reality (Ethel Scull) became an image, Warhol is literally standing outside the event: in front of the photo-booth in which the transformation is occurring of its own accord. Dialogue between artist and model is replaced by the monologue of self-representation.

Warhol only appears to return to the almost forgotten genre of the commissioned portrait. By splintering the representation process and firstly delegating it to a machine, but above all giving it back to the model herself („Now start smiling and talking“), he undermines it at a crucial point. He himself is effectively active only on the periphery, he feeds the machine with coins beforehand and modifies the results afterwards, selects, crops, enlarges, breaks down into dots, selects grounds and formats, prints and finally fits the whole thing together. The way in which Warhol does this serves less to say something about the subject than to reveal the representation process as such and to identify the image as a portrait and a non-portrait at the same time. (We shall return to the fact that the broken-off interaction between Warhol and his model nevertheless tells us something about the client later.)

Once the ambivalence of Warhol’s return to representation is recognized, the crucial features of his working process, reproduction and seriality, appear in a new light. They are recognizable as a process that means that the retreat from abstraction does not simultaneously turn into traditional, reproductive painting.

The crucial point in terms of reproduction is that Warhol handles screen-printing in the same dilettante manner as the camera technique in his films. The poor quality is intentional. In order to give an impression of inadequacy the photographs to be used are subjected to various quality-reducing manipulations in their translation to the print screen (reduction to dots, underexposure to heighten contrasts etc.) and more „flaws“ and irregularities are consciously provoked in printing. As in the films the intention is to allow the medium to appear in its materiality. It should be made obvious that the pictorial process is split in two: that Warhol is not the author of the representation of reality but simply the person who takes over the existing representation „ready-made“ and places it in new contexts. For all their „realism“ the images always reveal as well that they are not images about reality but images about images. Certainly that is only the first, the formal plane. For even the photographs that Warhol uses are contradictory in their relationship with reality. Let us take, as an obvious example, the Marilyn Portraits (plates 7-9). Even the picture of Marilyn Monroe on which they are based, a publicity still for the film „Niagara“, feeds on the tension between the realism vouched for by the medium and the fictitious quality of a pure „image“ construct. The experience of the photograph swings between the known difference of „image“ and reality and the visible indifference that exists between the two. Faced with the actual image-reality represented by the phenomenon of a „star“, it seems logical to create a portrait of this image rather than the person herself. Warhol does this in a way that accentuates the imaginary and incomprehensible qualities of the star. The explosiveness of the Marilyns lies in the impossibility of ever being able to grasp the firm ground of reality behind the intertextuality of „images“, but nevertheless still having to assume a reality (or an original) behind the reproductions, as otherwise the concept of „reproduction“ would be meaningless. Warhol’s method of replacing the relation that normally exists in art between the empirically experienced world and pictorial representation by the relation between different images gains its actual content dimension when faced with the question of what the images of Marilyn Monroe actually communicate.

Mutatis mutandis something like this could be identified in most of Warhol’s images, especially in those that are created using models that are published en masse, whose content everybody knows, without ever having seen them with their own eyes. As well as the Star-Portraits these include the Jackie Series (plates 26-27), which deals with events surrounding the murder of President Kennedy (events which represented a political upheaval and mark the high point of television as a medium to almost the same extent, as the longest live broadcast in its history), the series of Disaster Paintings (plates 10-19), the Mao Pictures (plates 52-54), etc.. But even the example of Ethel Scull Thirty-six Times, which does not fall into this category of work, is revealing here. The 36 or 25 images of Ethel Scull merely betray her willingness to reduce herself to a brilliant surface – but a surface which she herself was convinced was „enchanting“, and that would make her grandchildren „proud of their grandmother“. In the same way she also decided to give her portrait to the Whitney Museum of American Art in New York only on the condition that it is permanently on show. The mondaine world’s credo of treating the staged show-side as the only authoritative reality is also Ethel Scull’s credo. Warhol’s ability to reveal representation processes (in this case: self-representation), gives the image a psychological sharpness that it seems to lack at first glance. Pictures like the Marilyns or Ethel Scull Thirty-six Times are anyway a suitable aid to reconsidering Warhol’s „superficiality“.

The conflict between reproductive presentation of reality and mere intertextuality of images is further sharpened by the combination of reproduction and seriality. Within the various forms of seriality that have been developed since the late 19th century, Warhol’s position is distinguished by two qualities. One is the linking of seriality and reproduction itself – which is logical to the extent that every reproduction carries seriality within it by its very conception. The second is that his pictures are serial within the picture, in which an identical motif is printed a number of times all over the surface of a single canvas. The effects of this process on the individual reproduction and on the image as a whole are of elemental simplicity, but at the same time have far-reaching consequences. The grid shape of the juxtapositions weaves the structure of the individual images into an ornamental texture whose fundamental feature is to remain external to the object of the picture. The serial repetition leaves the thematic context from which the image originates out of account, but at the same time it establishes a new context by means of the arrangement itself. But this affects only the form of the images, as the repetition creates only redundancy (and definitely not a context) in terms of content. The transformation of the image that begins with this enhances the presence of the image as a surface, while removing its presence as a copy. This is an effect that Warhol is not the only artist to use. The collages by the German artist Peter Roehr, for instance, which date from the same time, should also be remembered (fig. 6). But most frequently he finds a use for advertising. Here the serialization occurs either within the design, or as a subsequent measure, with posters pasted twice and three times one after the other, for example, or monitors with a commercial running on them piled up into great towers and walls. The repetition, which produces no more information, makes what is shown seem more interesting formally and thus grabs our attention – the primary aim of any advertising (fig. 7).

There is one group of works in particular for which Warhol prefers to use the serial images within the picture approach, and that is the Disaster Paintings, which are based on press photographs of car accidents, suicides, the electric chair etc. So let us look at some of the Disasters in terms of the serial effect. Saturday Disaster, 1964 (fig. 7a) for example, shows the most minimal form of seriality: the doubling of the image. But that is already enough to start up the described transformation. Warhol places the two reproductions one on top of the other, not next to each other. This means that the hanging bodies combine to form a dominant central axis that dominates the reproductions and together with the contrasting horizontals of the image borders and the motor car gives the picture as a whole a clear order – an order that stands in strange contradiction to the chaotic content of the picture. In Orange Disaster, 1963 (fig. 9) we notice that in the pictures of the electric chair the horizontals and verticals and the light and dark section of the individual reproductions join to form a pattern in which the electric chairs occupy the centres like the medallions in a Persian carpet. Another variant can be seen in Suicide (Fallen Body), 1963 (plate 14), where the picture-object is overformed by the surface ornament to such an extent that it almost disappears. As a last example let us consider the case in which something analogous happens in language. In Tuna-fish Disaster, 1963 (plate 15) the newspaper pages reporting the death of two women from tuna fish poisoning are made into a collage. This happens in such a way that not only repeats the tins and the two portrait heads but combines the fragments of sentences from the picture caption into a continuous line: „Seized shipment: did a leak kill…Seized shipment: did a leak kill…Seized shipment: did a leak kill “ – and this line itself is repeated twice. The effect is to wipe out the statement and transform it into a kind of concrete poetry.

But the crucial factor is that the gross subject matter of the Disaster Paintings not only cuts out the content side of the images but above all makes ornamentalization or a poetic transformation seem especially inappropriate. In this Warhol’s pictures are clearly different from Peter Roehr’s comparatively lyrical sheets or even from the agreeableness of advertising. Once more – this time in extremis – it is to be noted how Warhol intensifies the ambivalence of the image and makes what is represented contradict the concrete texture of the surface.

„The turn away from the representational and one of the first steps into the realm of the abstract was in terms of drawing and painting the exclusion of the third dimension, i.e. the attempt to keep the ‚image‘ as painting on a surface.“ (Wassily Kandinsky). Kandinsky’s seminal description of abstraction’s concerns is helpful in once more clarifying Warhol’s multiply refracted representation process. By replacing „painting“ with „reproducing“, Warhol includes the third dimension in his painting again, in order to exclude it at the same moment, as his pictures obviously deal with a reality that has already been reduced to two dimensions rather than empirically experienced reality. Besides, they relate to phenomena whose reality was always perceived in the mode of the picture, indeed whose reality may be dubious beyond the pictures in some cases. And finally the grid-style serialization causes the attachment of the image to the surface of the painted ground while at the same time relativizing the (three-dimensional) content. Warhol subjects the anti-illusionistic representation-criticism as formulated by abstraction to criticism of its own, but without going over to the other side that abstraction was intended to overcome. The pictures continue to float between illusion of depth and „the attempt to keep the ‚image‘ as painting on a surface“, between representation and non-representation, between painting and non-painting. „Pop Imagery, as I understand it…is a way of getting around a dilemma of painting and yet not painting. It is a way of bringing in an image that you didn’t create.“ (Claes Oldenburg).

The pictorial structure, especially that of the works that are serial within the picture, thus takes up the grid structure developed by colour-field painters like Ellsworth Kelly or Ad Reinhardt in the 50s and adopted and refined by Minimal Art in the 60s (figs. 10, 11, 4). At the same time many of the pictorial patterns, e.g. in Suicide (Fallen Body), 1963 (plate 14) or Optical Car Crash, 1962 (plate 10) are reminiscent of the polyfoca1 „all-over“ devised by Jackson Pollock (fig. 12) or Clifford Still. The point of these echoes, which is also significant for what is represented, lies in uniting things that are apparently not capable of being united. The abundance, certainty and completeness of representational art is melded with abstract pictorial languages that not only attempted to overcome traditional representational art with their emptiness (in the semantic sense), uncertainty and openness, but seem diametrically opposed to Warhol’s artistic activities.

At this point the function of picking up trivialities – with the ability to be copied, and reproduction, the third „scandal“ in the pictures – finally emerges. Only a motif that is familiar because of its reproductive omnipresence can cause both the object itself and also the fact of being first and foremost a picture to strike the eye forefully. Its triviality reveals the change of representation by speaking first not about the object, but about the way in which it is communicated. It is precisely the use of a motif that seems in itself to forbid repeated copying, indicates a conceptualization „of painting“ in which representation itself becomes the subject. Warhol’s adoption of the trivial occurs neither in a populist turn away from élitist art and towards mass culture – the pictures are too wrapped up with the artistic context for that. Nor is it with the intention of revaluing the popular and raising it to the level of high art – again the pictorial motifs are too clearly anti-artistic for that. It occurs much more with the aim of creating a complex figurativeness by the crossing of „high“ and „low“ that requires knowledge of both sides and compels definition of its condition.

Warhol continues the modernistic outdoing of what has gone immediately before but gives it another, unexpected turn. The ambivalence structure of the works means that outdoing as such is subjected to criticism at the same time. The categories „author“, „painting“, „representation“, „original“, „innovation“ and finally „art“ are brought into play in such a way that negation and affirmation balance each other. Thus the view that Warhol is an early representative of post-modern art practice seems indeed justified.

At the same time Warhol’s aesthetic concept would be misunderstood if it appeared exclusively as a strategy for securing a position for himself within contemporary art by skilful subversion of existing artistic procedures. Both the films and the pictures, by blending closeness to reality and distance from reality, the unmediated and the much-mediated they touch a nerve of the times. At the beginning it was mentioned that the late 50s and the 60s in the United States in particular were marked by the rise and explosive spread of the visual mass media. Illustrated magazines were at the peak of their circulation figures, crucially encouraged by record spending on advertising caused by the post-war production boom. „Life“, the leading example, had a print-run of about eight million and a readership of over 40 million in America alone in the mid-sixties. It is a magazine that apart from the advertising consists almost exclusively of photographs. At the same time television established itself generally in this decade. In 1950 only eleven per cent of American households had a television, by 1960 it was 88 per cent. Average consumption of this medium was already between four and five hours per day at this time. It has been known for a long time that this brought about radical changes in world- and self-perception, even if the effects were assessed differently. However, the direct and overwhelming response to Marshall McLuhan’s „Understanding Media – The Extensions of Man“ (published 1964) shows the extent to which contemporaries were already aware of it. Concepts like „mass media“, „information age“ or „global village“ that are commonplaces today were introduced into linguistic usage by MacLuhan, the father of communication- and media-theory, at that same time. Warhol’s works that appeared simultaneously, seen in this way, are a phenomenology of media transformation and perception of reality. For like them the mass media too have the trait of being transparent and opaque, unmediated and mediated, realistic and with their own inherent laws. And they share with Warhol’s pictures the fact that they show the encyclopaedic abundance of what is represented in a stencil-like grid that is always the same. Warhol brings up one of art’s old questions again, under changed conditions: the question about the relationship of appearance and being. Many of the works seem like experimental apparatus to research what „representation“ might mean in view of the new forms of technical and media appearance. They unroll the problem again from its very beginning to a certain extent, as though photography and film were new inventions whose peculiarities and use had still to be practised. It has rightly been said of the films that they effectively went right back to the Lumière brothers, who began to explore the medium that was still at its earliest stage by using primitive documentation of the simplest possible everyday situations. „Movies bring in another whole dimension. That screen magnetism is something secret – if you could only figure out what it is and how to make it… But you can’t even tell if someone has it until you actually see them on the screen. You have to give screen tests to find out.“ (Andy Warhol).

Warhol’s strength lies in combining these various artistic and extra-artistic planes. Contemporary art discourse, cultural testimony and seminal questions about the image and its relationship with reality are inextricably entwined in them. This complexity is also the reason why Warhol can be read and evaluated in so many different ways, he can appear as a cynic to one person, a social critic to the next, and as an outstanding artist to a third, and none of these views is right or wrong in itself. And it explains how the pictures, despite their complexity and regardless of their apparent „impossibility“, enjoy incomparable circulation and are appreciated by people who otherwise take very little interest in art. „I like to be the right thing in the wrong space and the wrong thing in the right space…because something funny always happens. Believe me, because I’ve made a career out of being the right thing in the wrong space and the wrong thing in the right space. That’s one thing I really do know about.“ (Andy Warhol).
Translated from German by Michael Robinson

Chapter I
Chapter II
Punkt Chapter III
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Andy Warhol Film Technique Structure

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The Apparent Return of Representation. Ambivalence structures in Warhol’s early work

in: Andy Warhol. Paintings 1960-1986, ed. by Martin Schwander, exhibition catalogue Kunstmuseum Luzern 1995, Stuttgart 1995, S. 43-53 and 76-78.

Chapter II

„What Warhol was trying to move toward in the films was a stillness.“ (Ronald Tavel)

The most striking feature of the films is their peculiar quality of working against their own medium. Warhol develops a syntax that deliberately evades the elements that usually make the film distinct from other visual media (e.g. its functional and dramatic possibilities). In the first place this is because subjects are chosen that are able to manage with a minimum of plot: a sleeping man (John Giorno in Sleep) (fig. l), a man eating (Robert Indiana in Eat) (fig. 2) or a man smoking (Henry Geldzahler in the film of the same name), or even a building, which naturally remains completely motionless, while just the seasons change (the Empire State Building in Empire) (fig. 3). The films do represent a happening in time and are thus fundamentally narrative, but they eschew anything that can be considered filmic narration, i.e. organic development of a plot with a beginning, a middle and an end. It is obvious even after a few minutes what events or non-events are to be expected, although the films have substantial running times (Henry Geldzahler 100 minutes, Sleep six hours, Empire eight hours). The film action cannot be distinguished from elemental everyday actions and situations. Warhol says that his best actor is the one who blinked only three times in ten minutes. When asked if he was confusing blinking with acting he answered yes. This indifference-process is related to that of minimally structured Happenings or Events. They may contain instructions like: „One foot forward. Transfer weight to this foot. Repeat as often as desired“or „Opening a closed window. Closing an open window“ where Henry Geldzahler, curator of 20th century art at the Metropolitan Museum, New York, is given the simple instruction to sit in front of the camera and smoke a cigar.

If the Happening is concerned with the tension between the difference and indifference of art and life, Warhol does not evoke this tension only in the filmed event (is Henry Geldzahler’s smoking an everyday incident and thus life, or is it acting and therefore art), but also in the result, the film. Here the corresponding question arises of whether the latter is art or non-art (e.g. a form of documentary film). Despite this important distinction, which results from the live nature of the Happenings and the representation character of Warhol’s films, both are related in that they both aim at the dialectic of changing from one to the other (difference) and simultaneity of both (indifference). In both cases it is also the viewer who has to choose between the two ways of taking the film, as the work does not make a preliminary decision.

The elemental everyday quality and poverty of action in the filmed events finds its counterpart in the nature of the film. The first crucial element here is that the camera confronts what is filmed directly. Usually it remains completely motionless during filming. If it is moved, however, then it is exclusively on its own axis. The same is true of the camera angle, which is only rarely somewhat altered by a zoom. Empire, for example, has precisely the same camera setting for the whole of its eight hours. When the film is projected there is a direct correspondence between the camera’s fixed view of the object and the viewer of the film’s perspective, which remains the same – a correspondence that does not occur in a traditional film, when the viewer is first standing in a bedroom and then with the protagonists in a car while at the same time remaining motionless in his seat.

Warhol also chooses not to use editing and montage, which permit the condensation of time and the establishment of a narrative structure – indeed the very things in which film semiologists see the actual language-character of the medium. The reels of which the film consists are shot in one go and also shown as a whole. In this way they follow the principle of synchrony, i.e. the time they represent corresponds both to the time needed to shoot the film and the time needed to watch it.

And so Warhol calculates the greatest possible closeness of art and reality not only in the content of the film, but at the same time in his decisions about shooting and projecting. An artistic transformation of reality scarcely takes place. The semantics and syntax of the film correspond with that of the documentary „cinéma direct“, which aims to make us forget the medium in favour of what is represented. According to Warhol’s statements his films are then no better and no worse than what they show. It is possible to treat what is projected like something that is physically present, e.g. to go away and come back again without having missed more film time than precisely the time of your own absence. Warhol perceives his films as a kind of permanent background, and this is how they are shown in the Factory. The films are projected in part of the space along with everything else that is going on, without demanding more than absent-minded attention: „You could do more things with my movies than any other kinds of movies: you could eat and drink and smoke and cough and look away and they’d still be there.“ People do essentially the same thing on the screen and in front of the screen – eating, drinking, smoking etc. The filmed people are different from the real people only through the fact of being there as a filmed double. But a description of this kind considers only one pole of the films. The other one is a blatant anti-illusionism that makes the viewer clearly aware of the difference between cinema and reality. Thus the films, to start with the most striking feature, are of a quality that is wretched when measured by normal standards. This applies to picture and sound, which is usually incomprehensible (where the films are not silent anyway, which in the epoch of the sound film is in itself a considerable alienation). The medium thrusts itself in front what is seen like a clouding filter. Additionally the leaders are not cut off at the beginning and end of the individual reels. This means that the film is interrupted at regular intervals and reduced for a few moments to what it materially is: a mere strip of celluloid. And finally camera panning and zooming are used so arbitrarily and erratically that they do not serve to make the film’s events any clearer, but to a certain extent in a formalistic reorientation to themselves the zoom simply expresses itself as a zoom and the pan as a pan.

More subtle and less immediately obvious devices are used to work against filmic illusion. The crucial feature for the aesthetic of the silent films (which include Sleep, Eat, Henry Geldzahler and Empire) is that although they were filmed at a speed of 24 frames per second they are projected at 16 frames per second. This „ritardando“ by a third, although merely the result of an adjustment to the projector, creates an enormous effect. The slowing down is too gentle to be perceived as a technical manipulation, for which reason the expression „slow motion“, which is most usually used in film literature, is inappropriate in this case. Instead the viewer, who because of the filmic structure is convinced that he is present at a real-time incident, ascribes the measured quality of the event to the person or object being filmed, which seems to exist in a sphere of extended being. A kind of „magic realism“ with an almost hypnotic effect develops. Warhol’s frequent interventions into chronology are aimed in the same direction. In Eat, for example, Robert Indiana does nothing but eat a single mushroom for 45 minutes. But this mushroom refuses to get any smaller, and constantly renews itself. Warhol ran the ten reels of which the film consists on a random principle. And Sleep lasts for six hours only because the individual reels are shown several times in a different sequence. This explodes even these minimal dramatic structures. The relationship of part and whole is cancelled, and the films become fundamentally open to endless lengthening. Warhol emphasized this by the way in which he provided the silent films with sound on certain occasions. At the première of Sleep he put two transistor radios on the stage, tuned them to different stations and let them play continuous rock music. He found a different variant for the presentation of his films at the 1964 New York Film Festival. He asked composer La Monte Young to write a soundtrack that could be used equally well for all the four films. Like the composer’s other work it consisted of a single endless electronically generated note.

Chelsea Girls, Warhol’s most complex film, has anti-illusionism almost built into its programme. The film lasts for over three hours, and consists of twelve 30-minute reels which, following Warhol’s usual procedure were shot at one go and had nothing else done to them. They contain twelve scenes, all set in the „Chelsea“ artists‘ hotel in New York, but beyond this do not form a coherent dramatic whole. Chelsea Girls is designed for double projection, i.e. two spools are screened simultaneously alongside each other. The two screenings, which compete from the outset because they are concurrent, are now brought into conflict with each other by means of various other devices. Firstly the reels are staggered in terms of time. One begins when the other has already been showing for five minutes, and ends when the next scene is already showing alongside. Secondly, sound is available from only one reel at a time. As each reel starts with its sound, the sound changes side each time a new reel starts and turns the other one, whose sound had been heard so far, into a silent film. And finally four reels were shot in colour and eight in black and white. The projection sequence is fixed in such a way that all the possible combinations are produced: two black and white, two colour, and one colour and one black and white.

Something that has already been observed in terms of panning and zooming and the provision of „sound“ for the silent films is repeated on a more complex plane. Warhol deconstructs the medium and makes the viewer aware of its components (the mechanics, the camera, the reels, the colour, the sound etc.) one at a time. This recombination of the elements runs counter to the synthesis to an organic whole that first enables a conventional film to achieve dramatic fiction. Warhol replaces this synthesis by putting independent units together; they are placed alongside and behind each other in a serial, anti-compositional and virtually unlimited sequence. This reveals the concrete structure of the way in which both the individual unit and the whole sequence came into being.

Thus the syntax of the film reveals qualities of the kind familiar from Minimal Art, despite all material differences. For example, Donald Judd’s series of identical boxes show the same tension between development and repetition, bearing the stamp of a completed whole and virtually infinite expandability that can also be seen in the series of reels in Warhol’s films, always the same length and often with practically the same content (fig. 4). The fact that such a relationship is possible at all between a medium that is as such representative, narrative and composing and a cultural language the attempts to exclude representation, narration and composition from its own works is significant. It points to the kind of ambivalence that is a characteristic of the films. The indifference with which Warhol directs his camera at people and objects („… it’s so easy to make movies, you just shoot and every picture really comes out right“), means that the viewer’s perception swings ceaselessly between a structurally indifferent registration of the object represented and an object-indifferent registration of the structure. The films are judged in a correspondingly conflicting way. They may seem to one person to be a reduction of the medium to a concrete, self-referential surface, but Jonas Mekas, who was director of the New York „Film-Makers Cooperative“ in the 60s, which premiered most of the films, placed them in the tradition of documentary, „cinéma verite“, which aimed at objective representation of the object. But if the films „document“ something, then it is neither the reality nor the concrete qualities of the medium. It is the process of filmic representation itself that they take as their subject, in that their mimetic and concrete-self-referential structure compels constant redetermination of the relationship between the two. „All my films are artificial, but then everything is sort of artificial, I don’t know where artificial stops and real starts.“ (Andy Warhol).

Chapter I
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Andy Warhol Abstract Expressionism Pop Art Realism

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The Apparent Return of Representation. Ambivalence structures in Warhol’s early work

in: Andy Warhol. Paintings 1960-1986, ed. by Martin Schwander, exhibition catalogue Kunstmuseum Luzern 1995, Stuttgart 1995, S. 43-53 and 76-78.

„You see, to pretend something’s real, I’d have to fake it. Then people would think I’m doing it real.“ (Andy Warhol)

Chapter I

It is a well-known feature of modern art that its innovative creations cancel the current view of art and at the same time extend it. This process of destruction and phoenix-like regeneration of art seems so blatant in Warhol’s case that it is impossible to agree about whether his innovations can be counted as meaningful self-renewal of art. The abrupt change from the Abstract-Expressionist painting of the New York school, with its high ideals and awareness of a historic mission, to a pictorial language that seems to exhaust itself in the endless repetition of trivialities and thus to question everything that had been achieved in the logical development of painting by Pollock, Kline, Rothko, Newman etc. seems too nihilistic. The confrontation between the two diametrically opposed views of what „painting“, „the panel picture“, „the artist“ actually is becomes all the more significant because it was the first that came up inside American art and largely independently of European influences – despite the earlier existence of English Pop Art. All at once two views of painting were confronting each other that were both perceived as genuinely American.

This „querelle américaine“ made a crucial difference to the way in which Pop Art was looked at, especially Warhol, who occupied the most challenging position. The consequence was a view that Warhol saw largely as a negation – a negation of the originality and uniqueness of the picture, a negation of (high) culture, a negation of the achievements of abstraction. And there was something else: suddenly the whole development scheme of modern painting was called into question. The influential critic Clement Greenberg had defined this scheme so conclusively in terms of post-war American art as the increasing essentialization that manifested itself in taking the picture back to the anti-illusionistic, self-referential „literality“ of the surface. Warhol was the aggressive example of an artistic practice that could not be categorized as part of this development, but which seemed to represent a regression into an abandoned stage of art, currying favour with mass culture.

The polemic debates of the 60s merely seem a part of history today. Assessments have become more objective and more sophisticated. Detailed biographies have carefully documented his working-class origins, his training, his successful period as a graphic artist in advertising and his rise to international stardom – which in Warhol’s case always means writing a brief social history of art and its reception as well – and an abundance of important details have come to light. Analyses that concern themselves with influences, models, personality structure etc. also sometimes produced material about the development of the formal language and the background to the choice of subjects. Despite this the view stubbornly persists that Warhol is the negation of everything that defines art as such. It is the basis, spoken or unspoken, of almost all interpretations. A distinction has been made only to the extent that various suggestions came up to analyse and make understandable the „emptiness“ of the works, about which as such there is no doubt. The plane of observation thus shifted from the plane of the pictures to the plane of the artist, emphasizing Warhol’s own „emptiness“ (his inability to experience, his cynicism, his post-modern dandyish nature, and above all his famous wish „to be a machine“). Or they changed to the plane of the cultural and social context, in which the same „emptiness“ was discovered (in the form of consumerism, decadence, loss of critical thought etc.).

Any profound analysis of the aesthetic structure of Warhol’s work is correspondingly rare. It was scarcely perceived that the change to representation, reproduction and to the trivial is more mediated, the semantics, syntax and pragmatics of the works is more ambivalent, than a polar perspective of this kind can reproduce. On closer consideration the pictorial language is seen to be a multi-layered response to the situation in the late 50s when Abstract Expressionism had run into a blind alley because of selfimposed reductionism and was about to abandon both its critical and „sublime“ dimensions as decoration and academicism. The crisis of the tone-setting avant-garde produced a number of art forms that could not be accommodated in Greenberg’s development logic. As well as Pop Art these included the Happening, Minimal Art or Concept Art. Warhol’s works have to be seen in the context of this mood of radical change. They turned Abstract Expressionist painting upside down, but without falling back on an antiquated state of the artistic discourse. The point of his work is precisely that Abstract Expressionism is subjected to fundamental criticism while at the same time important aspects of its aesthetic procedure are picked up. The modernistic trait of outdoing what had happened immediately before can be detected, and not by chance, in a way that relates revealingly to the Happening, Minimal Art and Concept Art. Warhol undermines the opposition whose one pole he is supposed to occupy in such an exemplary fashion.

It is also necessary to examine the opposition scheme because Warhol does not gain his standpoint from reaction to the artistic practice of the previous generation alone. The return to representation and the use of reproductive techniques is directed neither against abstraction as such nor against art as a whole, but above all shows a shift in artistic interest. The medium’s continuing self-questioning – Greenberg’s formalism saw this as the duty of painting – is expanded by turning to events and things that do constitute our everyday experience but are excluded from art by abstraction in particular. In this Warhol appears as a seismograph of changes brought about by the establishment of mass communication. Warhol sees images of Kennedy’s death or sputnik signals from space that seem to shake the world, shrunk to a „global village“, simultaneously as key experiences of perception, rather than the decentred structures of Pollock’s canvases, which were making the art world hold its breath. Central to Warhol’s work is the question what and how communication can be made under these circumstances, and what is called „authentic perception“, something that art likes to insist on, in view of such phenomena. Warhol’s subversions become accessible only when they are understood as part of both an internal-artistic and an external-artistic change.

The design of Warhol’s work is most readily perceived by looking at the work as a whole. Above all the pictures and the films must be seen as an expression of one and the same artistic process. One peculiarity of dealing with Warhol lies in separating, consciously or unconsciously, the various media in which he worked. In exhibitions, if they are shown at all, the films are presented at the most in a subsidiary programme that only a few visitors to the exhibition are aware of. Also, shortened and therefore distorted versions are usually shown. There is no direct juxtaposition of films and pictures, so that it is left to the individual to establish the link between them. This may be something to do with technical difficulties in the exhibition, but it is significant that the same situation is found in Warhol literature. There seems to be a division of labour: art critics and art historians deal with the pictures, while the films (which generally receive less attention) are left to the appropriate specialists, who rarely bother to look at the pictures. Any consideration of the links between the two forms is thus excluded from the outset.

But it is justifiable in every respect to treat the films in the same way as the pictures. It is not just that the two media are conceptually interlinked in Warhol’s case. What seems even more important is that two of the characteristics that make the pictures seem so scandalous, the reproductive approach and the return to representation, are not conspicuous in the films and do not represent the breaking of a taboo. Films almost always copy reality, and the medium is concerned with reproduction from the beginning. But if these characteristics are removed as classifying qualities, criteria of evaluation can again come into play that seem unnecessary in the case of an artist like Warhol. All that remains to do justice to the special quality of the films is to examine their creative design. If this means a more traditional way of looking at them that can only be an advantage at the outset. Beyond the polarity of abstract and representational, original and reproductive, „high“ and „low“, which is always linked with high judgements, the possibility of evaluation that is linked more closely to artistic questions begins to emerge. This may well also be why even in the early 60s Warhol the film-maker was considered an outstanding avant-garde artist and as early as 1964, a year after his first film received the „Independent Film Award“ given by the New York magazine „Film Culture“, while the panel pictures were not acknowledged as an artistic achievement (and not just as subversive provocation) until much later, and much more hesitantly. For these reasons the pictures and the films are going to be analysed within common boundaries and by the same criteria; also is the usual order reversed for once, and the films are considered before the pictures.

Punkt Chapter I
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Chapter III
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Andy Warhol Siebdruck Porträt Disaster

Scheinbare Wiederkehr als Druckversion (PDF mit Abb. und Fn. 4.310 KB)

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Die scheinbare Wiederkehr der Repräsentation. Ambivalenzstrukturen in Warhols frühem Werk

in: Andy Warhol. Paintings 1960-1986, hrsg. von Martin Schwander, Katalog Kunstmuseum Luzern 1995, Stuttgart 1995, S. 31-42 u. 74-76.

Abschnitt III

Betrachtet man die Bilder aus dem Blickwinkel der Filme, treten an ihnen ähnliche Eigenschaften hervor. Auch bei ihnen ist der „Code“ des Mediums („die Malerei“) mehrfach durchbrochen und die Werke in eine Dialektik eingespannt, die sich weder aufheben noch auf eine Seite hin auflösen läßt. Aus der umfangreichen Produktion sei zunächst ein Beispiel herausgegriffen, das formal wie inhaltlich den Filmen besonders nahe steht: Ethel Scull Thirty-six Times, 1963 (Abb. 5). Das Bild ist Warhols erstes Auftragsportrait und stammt aus demselben Jahr, in dem auch die ersten Filme entstehen. Es besteht aus 36 Tafeln gleichen Formats, die zusammen die beträchtlichen Abmessungen von 202 x 363 cm ergeben. Die Tafeln sind verschiedenfarbig grundiert und zeigen Ethel Scull, die Gattin eines New Yorker Taxiunternehmers und Sammlers zeitgenössischer Kunst, in jeweils unterschiedlicher Pose. Das Bild erweckt den Eindruck, aus Einzelbildern eines filmischen Portraits montiert zu sein, wie Warhol sie nicht nur mit Henry Geldzahler, Eat oder Sleep realisierte (die alle auch Portraits sind), sondern wie er sie, als sogenannte „Screen Tests“, von jedem neuen Besucher der Factory zu drehen pflegte. Lautete bei diesen letzteren die stereotype Anweisung, während der Dauer der Aufnahme (drei Minuten: die Länge einer Filmspule) möglichst starr und ohne zu blinzeln in die frontal aufgestellte Kamera zu blicken, fährt Warhol Ethel Scull zum Times Square, setzt sie in einen Photoautomaten, wirft Geld ein und sagt: „Now start smiling and talking.“ Nach anfänglicher Konsternation (sie hatte eine aufwendige Photo-Sitzung erwartet und sich dafür in ein teures Modellkleid gehüllt) kommt Ethel Scull dieser Aufforderung geradezu überschwenglich nach. Auf den über hundert Bildern, die nun entstehen, lacht sie, fährt sich durchs Haar, scheint in Nachdenken versunken, setzt ihre Sonnenbrille auf und wieder ab – ganz so, als würde sie sich in angeregter Unterhaltung befinden. Provoziert Warhol beim bewegten Medium des Films die Rückführung auf das quasi-fixe Bild, so umgekehrt beim statischen Medium der Photographie die Ausweitung zum quasi-dramatischen Geschehen.

Doch ähnlich wie in Eat oder Sleep wird die chronologische Abfolge der Automatenbilder in der Anordnung zum Gesamtbild wiederum durchbrochen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, daß Warhol für die 36 Tafeln nur 25 Aufnahmen verwendet hat. Elf Tafeln stellen also (teilweise seitenverkehrte) Wiederholungen dar, die ohne erkennbare Regel eingestreut sind. Ebenfalls gibt es nur 25 unterschiedliche Grundierungsfarben, wobei Warhol es vermeidet, dasselbe Photo zweimal auf denselben Grund zu drucken. Trotz der Wiederholungen enthält das Bild also keine identischen Tafeln. Ein subtiles Spiel von Original und Reproduktion, Differenz und Indifferenz kommt in Gang. Ist die seitenverkehrte Wiederholung auf anderem Grund „dasselbe Bild“? Die Frage kann sowohl bejaht wie verneint werden, je nach dem Begriff von „Bild“, der einer Entscheidung zugrundegelegt wird. Die Ambivalenz von Vielfalt und Redundanz sowie das Zufällige der Anordnung unterlaufen den zunächst evozierten Eindruck, es handle sich bei Ethel Scull Thirty-six Times um die Wiedergabe eines sinnhaften Geschehens. Doch die Bildstruktur ist die ästhetische Entsprechung zu dem, was das Geschehen in Wahrheit war: ein abruptes Gestikulieren angesichts einer unbeteiligt starrenden Kamera, das Durchspielen eines limitierten Repertoires stereotyper Posen aufgrund der Aufforderung, sich selbst zu inszenieren.

Über die scheinbare Annäherung an die Narration des Films bestimmt Warhol den Vorgang des Porträtierens neu. Ist ein traditionelles Bildnis die Synthese davon, wie der Künstler (Maler oder Photograph) den Porträtierten während der Sitzungen erfahren hat, so repräsentiert Warhols Portrait, wie Ethel Scull sich selbst zum Bild gemacht hat. Im entscheidenden Augenblick des bildnerischen Prozesses, in dem die Wirklichkeit (Ethel Scull) zum Bild wird, steht Warhol buchstäblich außerhalb des Geschehens: vor der Photokabine, in der die Umwandlung allein vonstatten geht. An die Stelle des Dialogs zwischen Künstler und Modell tritt der Monolog einer Selbst-Darstellung.

Warhol kehrt nur scheinbar zur beinahe vergessenen Gattung des Auftragsporträts zurück. Denn indem er den Vorgang der Repräsentation aufsplittert und zum einen an einen Automaten delegiert, vor allem aber an das Modell selbst zurückgibt („Now start smiling and talking“), unterläuft er ihn im entscheidenden Punkt. Er selbst wird gleichsam nur am Rand aktiv, füttert zuvor einen Apparat mit Münzen und modifiziert hinterher die Resultate, selektiert, beschneidet, vergrößert, rastert, wählt Grundierungen und Formate, druckt und fügt schließlich zusammen. Die Art und Weise, wie Warhol dies tut, dient allerdings weniger dazu, von der Dargestellten zu erzählen, als den Repräsentationsprozeß als solchen offenzulegen und das Bild als Porträt und zugleich Nicht-Porträt auszuweisen. (Daß die gebrochene Interaktion zwischen Warhol und seinem Modell dennoch etwas über die Auftraggeberin aussagt, wird uns später beschäftigen.)

Ist die Ambivalenz von Warhols Rückwendung zur Repräsentation einmal erkannt, erscheinen die entscheidenden Merkmale seines Arbeitsprozesses, die Reproduktion und die Serialität, in einem neuen Licht. Sie werden als Verfahren erkennbar, den Ausstieg aus der Abstraktion nicht gleichzeitig zu einem Wiedereinstieg in die traditionelle, abbildende Malerei werden zu lassen.

Für die Reproduktion ist dabei entscheidend, daß Warhol den Siebdruck ähnlich dilettantisch handhabt wie die Kameratechnik bei seinen Filmen. Die schlechte Qualität ist beabsichtigt. Um den Eindruck des Mangelhaften zu erwecken, werden die Vorlage-Photographien in der Umwandlung zum Drucksieb verschiedenen qualitätsmindernden Manipulationen unterworfen (Rasterung, Überbelichtung zur Steigerung der Kontraste u.a.), und beim Drucken weitere „Fehler“ und Unregelmäßigkeiten bewußt provoziert. Wie bei den Filmen steht dahinter die Absicht, das Medium in seiner Materialität hervortreten zu lassen. Augenfällig soll werden, daß der Bildprozeß zweigeteilt ist: daß Warhol nicht der „Autor“ der Wirklichkeitsrepräsentation ist, sondern ausschließlich derjenige, der bereits bestehende Repräsentationen „ready-made“ übernimmt und in neue Zusammenhänge bringt. Bei aller „Realistik“ offenbaren die Bilder immer auch, nicht Bilder über die Wirklichkeit, sondern Bilder über Bilder zu sein.

Das allerdings ist nur die erste, formale Ebene. Denn bereits die Photographien, die Warhol aufgreift, sind in ihrem Bezug zur Wirklichkeit von zwiespältigem Charakter. Nehmen wir, als ein offensichtliches Beispiel, die Marilyn-Porträts (Tafel 7-9). Schon das zugrundeliegende Bild Marilyn Monroes, eine Werbe-Standaufnahme für den Film „Niagara“, lebt von der Spannung zwischen dem Realismus, den das Medium verbürgt, und dem Fiktiven eines reinen „Image“-Konstruktes. Die Erfahrung der Photographie schwankt zwischen der gewußten Differenz von „Image“ und Realität und der sichtbaren Indifferenz, die zwischen beidem besteht. Angesichts der eigentümlichen Bild-Realität, die das Phänomen „Star“ darstellt, erscheint es folgerichtig, für ein Bildnis des Stars nicht den Menschen selbst, sondern dessen Bild zu porträtieren. Warhol tut dies in einer Weise, die das Imaginäre und Ungreifbare des Stars akzentuiert. Die Brisanz der Marilyns liegt in der Unmöglichkeit, hinter der Intertextualität von „Images“ je den festen Grund der Realität greifen zu können, dennoch aber eine Realität (bzw. ein Original) hinter den Reproduktionen voraussetzen zu müssen, da ansonsten der Begriff der „Reproduktion“ sinnlos wäre. Angesichts der Frage, was die Bilder Marilyn Monroes wirklich kommunizieren, gewinnt Warhols Verfahren, das die in der Kunst normalerweise bestehende Beziehung zwischen empirisch erfahrener Welt und bildlicher Darstellung durch die Beziehung zwischen verschiedenen Bildern ersetzt, seine eigentliche inhaltliche Dimension.

Mutatis mutandis ließe sich solches an den meisten von Warhols Bildern aufweisen, insbesondere an denjenigen, die anhand von massenpublizierten Vorlagen entstehen, deren Inhalte jeder kennt, ohne ihn je mit eigenen Augen gesehen zu haben. Dazu gehören neben den Star-Portraits die Jackie-Serie (Tafeln 26-27), die von den Ereignissen der Ermordung Präsident Kennedys handelt (Ereignisse, die gleichermaßen eine politische Erschütterung darstellten wie als längste Live-Sendung der Fernsehgeschichte einen Höhepunkt des Mediums markieren), die Reihe der Disaster Paintings (Tafeln 10-19), Mao-Bildnisse (Tafeln 52-54), usw. Doch selbst das Beispiel von Ethel Scull Thirty-six Times, das nicht in diese Klasse von Werken fällt, ist hier aufschlußreich. Verraten doch die 36 bzw. 25 Bilder von Ethel Scull nur gerade ihre Willfährigkeit, sich auf eine glänzende Oberfläche zu reduzieren – eine Oberfläche allerdings, von der sie selbst überzeugt war, daß sie „hinreißend“ sei, und die noch ihre Enkelkinder „stolz auf ihre Großmutter machen“ werde. Entsprechend fällt auch ihre Entscheidung aus, ihr Portrait dem Whitney Museum of American Art in New York nur unter der Bedingung zu schenken, daß es stets ausgestellt sei. Das Credo der mondänen Welt, die inszenierte, schattenlose Schauseite für die einzig maßgebliche Realität zu halten, ist das Credo auch Ethel Sculls. Warhols Vermögen, Prozesse der Repräsentation (in diesem Fall: der Selbst-Repräsentation) offenzulegen, verleiht dem Portrait eine psychologische Schärfe, die ihm auf den ersten Blick abzugehen scheint. Bilder wie die Marilyns oder wie Ethel Scull Thirty-six Times jedenfalls sind geeignet, Warhols „Oberflächlichkeit“ neu zu bedenken.

Der Konflikt zwischen der abbildenden Darstellung der Wirklichkeit und der bloßen Intertextualität von Bildern wird durch die Verbindung von Reproduktion und Serialität noch zugespitzt. Innerhalb der verschiedenen Formen der Serialität, die seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelt worden sind, zeichnet sich Warhols Position durch zwei Eigenschaften aus. Einerseits durch die Verknüpfung von Serialität und Reproduktion selbst – was insofern folgerichtig ist, als jede Reproduktion die Serialität der Anlage nach in sich trägt. Und andererseits durch seine innerbildlich seriellen Bilder, bei denen ein identisches Motiv mehrfach und flächendeckend auf eine einzige Leinwand gedruckt ist. Die Auswirkungen dieses Verfahrens auf die einzelne Reproduktion wie auf das Gesamtbild sind von elementarer Einfachheit, gleichzeitig aber von großer Tragweite. Das rasterförmige Nebeneinandersetzen verwebt die Strukturen der einzelnen Bilder zu einer ornamentalen Textur, an der wesentlich ist, dem Bildgegenstand äußerlich zu bleiben. Denn im gleichen Zug, wie die serielle Wiederholung den thematischen Zusammenhang, aus dem das Bild stammt, ausblendet, etabliert sie einen neuen Zusammenhang durch die Aufreihung selbst. Dieser aber betrifft nur die Form der Bilder, da die Wiederholung inhaltlich gesehen bloß Redundanz (und gerade keinen Zusammenhang) erzeugt. Die Umwandlung des Bildes, die damit einsetzt, steigert die Präsenz des Bildes als Oberfläche, während sie diejenige des Bildes als Abbild zum Schwinden bringt. Dies ist ein Effekt, den nicht nur Warhol einsetzt. So ist etwa an die gleichzeitig entstehenden Collagen des deutschen Künstlers Peter Roehr zu erinnern (Abb.6). Am häufigsten jedoch nutzt ihn die Werbung. Die Serialisierung geschieht hier entweder innerhalb der Gestaltung, oder dann als nachträgliche Maßnahme, indem z.B. Plakate zwei- und dreifach nebeneinandergeklebt sind, oder Monitore, auf denen ein Werbefilm läuft, zu ganzen Türmen und Wänden geschichtet werden. Die Wiederholung, die kein Mehr an Information erzeugt, läßt das Gezeigte formal interessanter erscheinen und fesselt damit unseren Blick – das primäre Ziel jeder Werbung (Abb.7).

Es ist vor allem eine Werkgruppe, die Warhol bevorzugt als innerbildlich serielle Bilder fertigt: die Disaster Paintings, die auf Pressephotographien von Autounfällen, Selbstmorden, des elektrischen Stuhls usw. basieren. Ein paar der Disasters seien also auf den seriellen Effekt hin angeschaut. Saturday Disaster, 1964 (Abb.8), z.B. zeigt die minimalste Form der Serialität: die Verdoppelung des Bildes. Doch das reicht bereits aus, um die beschriebene Transformation in Gang zu setzen. Indem Warhol die beiden Reproduktionen nicht neben-, sondern übereinanderstellt, verbinden sich die hängenden Körper zu einer beherrschenden Mittelachse, die die Reproduktionen übergreift und zusammen mit den kontrastierenden Horizontalen der Bildgrenzen und des Automobils dem Gesamtbild eine klare Ordnung verleiht – eine Ordnung, die zum chaotischen Bildinhalt in seltsamem Widerspruch steht. Bei Orange Disaster, 1963 (Abb.9), verknüpfen sich in den Bildern des elektrischen Stuhls die Horizontalen und Vertikalen sowie die hellen und dunklen Partien der einzelnen Wiedergaben zu einem Muster, in dem die elektrischen Stühle die Zentren bilden, wie es die Medaillons in einem Perserteppich tun. Eine wiederum andere Variante zeigt Suicide (Fallen Body), 1963 (Tafel 14), wo die Überformung des Bildgegenstandes durch das Flächenornament so weitgehend ist, daß es ihn beinahe zum Verschwinden bringt. Als letztes Beispiel sei ein Fall erwähnt, wo in der Sprache das Analoge geschieht. In Tunafish Disaster, 1963 (Tafel 15), sind Zeitungsseiten, die vom Tod zweier Frauen durch vergifteten Thunfisch berichten, collagiert. Das geschieht in einer Weise, die nicht nur die Dosen und die beiden Porträtköpfe seriell sich wiederholen läßt, sondern auch die Satzfragmente der Bildunterschrift zu einer fortlaufenden Zeile verbindet: „Seized shipment: did a leak kill…Seized shipment: did a leak kill…Seized shipment: did a leak kill“ – wobei auch diese Zeile noch zweimal wiederholt wird. Der Effekt ist ein Löschen des Ausgesagten und die Verwandlung der Worte in eine Art von konkreter Poesie.

Entscheidend ist nun aber, daß die Disaster Paintings aufgrund ihrer krassen Thematik nicht nur die Inhaltsseite der Bilder besonders herausstreichen, sondern vor allem eine Ornamentalisierung bzw. eine poetische Verwandlung besonders unangebracht erscheinen lassen. Darin unterscheiden sich Warhols Bilder deutlich von den vergleichsweise lyrischen Blättern Peter Roehrs oder gar von den Gefälligkeiten der Werbung. Ein weiteres Mal – diesmal in extremis – ist zu beobachten, wie Warhol die Ambivalenz des Bildes forciert und das Repräsentierte zur konkreten Textur der Oberfläche in Widerspruch setzt.

„Die Abwendung vom Gegenständlichen und einer der ersten Schritte in das Reich des Abstrakten war in zeichnerisch-malerischer Beziehung das Ausschließen der dritten Dimension, d.h. das Streben, das ‚Bild‘ als Malerei auf einer Fläche zu behalten.“ (Wassily Kandinsky). Kandinskys grundlegende Beschreibung des Anliegens der Abstraktion ist geeignet, Warhols mehrfach gebrochenes Repräsentationsverfahren noch einmal zu verdeutlichen. Indem Warhol „malen“ durch „reproduzieren“ ersetzt, bezieht er die dritte Dimension wieder in seine Malerei ein, um sie im gleichen Augenblick auszuschließen, da seine Bilder augenfällig nicht von der empirisch erfahrenen, sondern von der bereits auf zwei Dimensionen reduzierten Wirklichkeit handeln. Sie beziehen sich außerdem auf Phänomene, deren Realität immer schon im Modus des Bildes wahrgenommen wurde, ja deren Realität jenseits der Bilder in einigen Fällen sogar zweifelhaft ist. Und schließlich provoziert die rasterförmige Serialisierung die Bindung des Bildes an die Fläche des Malgrundes bei einer gleichzeitigen Relativierung des (dreidimensionalen) Inhaltes. Warhol unterzieht die anti-illusionistische Repräsentationskritik, die die Abstraktion formulierte, seinerseits einer Kritik, ohne sich aber auf die andere Seite zu schlagen, die mit der Abstraktion überwunden werden sollte. Die Bilder verharren in der Schwebelage zwischen Tiefenillusion und „dem Streben, das ‚Bild‘ als Malerei auf einer Fläche zu behalten“, zwischen Repräsentation und Nicht-Repräsentation, zwischen Malen und Nicht-Malen. „Pop Imagery, as I understand it, … is a way of getting around a dilemma of painting and yet not painting. It is a way of bringing in an image that you didn’t create.“ (Claes Oldenburg).

Die Bildstruktur, vor allem diejenige der innerbildlich seriellen Arbeiten, greift dabei die Rasterstruktur auf, die von den Farbfeld-Malern wie Elsworth Kelly oder Ad Reinhardt in den 50er Jahren entwickelt und von der Minimal Art in den 60er Jahren aufgenommen und weitergeführt wurde. (Abb. 10, 11, 4). Gleichzeitig erinnern manche Bildmuster, z.B. in Suicide (Fallen Body), 1963 (Tafel 14) oder in Optical Car Crash, 1962 (Tafel 10), an das polyfokale „All-over“ Jackson Pollocks (Abb .12 ) oder Clifford Stills. Die Pointe dieser Anklänge, die auch für das Dargestellte bezeichnend ist, liegt in der Vereinigung des scheinbar Unvereinbaren. Die Fülle, Bestimmtheit und Geschlossenheit der gegenständlichen Kunst wird mit abstrakten Bildsprachen verschränkt, die mit ihrer Leere (im semantischen Sinne), Unbestimmtheit und Offenheit nicht nur die traditionelle, repräsentierende Kunst zu überwinden suchten, sondern zu Warhols künstlerischem Tun in diametralem Gegensatz zu stehen scheinen.

An diesem Punkt tritt schließlich auch das Aufgreifen von Trivialitäten – neben der Abbildlichkeit und der Reproduktion das dritte „Skandalon“ der Bilder – in seiner Funktion hervor. Nur ein Motiv, das aufgrund seiner reproduktiven Allgegenwärtigkeit bekannt ist, läßt zugleich den Gegenstand selbst wie auch die Tatsache, in erster Linie ein Bild zu sein, ins Auge springen. Seine Trivialität offenbart die Wendung der Repräsentation, in erster Linie nicht vom Gegenstand zu sprechen, sondern von der Art und Weise, wie er kommuniziert wird. Gerade der Einsatz eines Motivs, das erneut abzubilden sich von selbst zu verbieten scheint, zeigt eine Konzeptualisierung „der Malerei“ an, in der die Repräsentation selbst zum Thema wird. Warhols Zuwendung zum Trivialen geschieht weder in einer populistischen Wendung weg von der elitären Kunst und hin zur Massenkultur – dafür sind die Bilder zu sehr mit dem künstlerischen Kontext verwoben. Noch hat sie die Absicht, das Volkstümliche aufzuwerten und auf die Ebene der Hoch-Kunst zu heben – dafür wiederum sind die Bildmotive zu deutlich anti-künstlerisch. Sie geschieht vielmehr mit dem Ziel, in der Überkreuzung von „High“ und „Low“ eine komplexe Bildlichkeit zu schaffen, die die Kenntnis beider Seiten voraussetzt und zur Bestimmung ihres Verhältnisses zwingt.

Warhol führt die modernistische Überbietung des unmittelbar Vorangegangenen fort, gibt ihr jedoch eine andere, unerwartete Wendung. Denn durch die Ambivalenzstruktur der Werke wird gleichzeitig die Überbietung als solche einer Kritik unterzogen. Kategorien „Autor“, „Malerei“, „Repräsentation“, „Original“, „Innovation“ und schließlich „Kunst“ werden in einer Weise ins Spiel gebracht, in der sich Negation und Affirmation die Waage halten. Die Auffassung, in Warhol einen frühen Repräsentanten postmoderner Kunstpraxis zu sehen, hat daher einige Berechtigung.

Gleichzeitig wäre Warhols ästhetisches Konzept mißverstanden, wenn es ausschließlich als Strategie erschiene, durch die geschickte Subversion bestehender künstlerischer Verfahren sich eine Position innerhalb der zeitgenössischen Kunst zu sichern. Indem die Filme wie die Bilder Realitätsnähe und Realitätsferne, Unvermitteltes und vielfältig Vermitteltes verschmelzen, treffen sie zugleich einen Nerv der Zeit. Bereits zu Beginn ist erwähnt worden, daß die späten 50er und die 60er Jahre vor allem in den Vereinigten Staaten durch den Aufstieg und die explosive Verbreitung der visuellen Massenmedien geprägt sind. Die Illustrierten stehen auf dem Gipfel ihrer Auflagezahlen, wesentlich gefördert durch die Rekordausgaben für die Werbung, die der Produktionsboom der Nachkriegszeit provoziert. „Life“, die führende unter ihnen, hat um die Mitte der 60er Jahre allein in Amerika eine Auflage von rund acht Millionen und eine Leserschaft von über 40 Millionen. Es ist ein Magazin, das neben der Werbung fast ausschließlich aus Photographien besteht. Gleichzeitig setzt sich in dieser Dekade das Fernsehen allgemein durch. Steht 1950 nur gerade in elf Prozent der amerikanischen Haushalte ein Fernseher, so 1960 in 88 Prozent. Der durchschnittliche Konsum des Mediums beträgt zu diesem Zeitpunkt bereits zwischen vier und fünf Stunden pro Tag. Daß dies einschneidende Veränderungen der Welt- und der Selbstwahrnehmung hervorruft, ist längst bekannt, auch wenn die Auswirkungen unterschiedlich eingeschätzt werden. Die unmittelbare und überwältigende Resonanz, die Marshall McLuhans „Understanding Media – The Extensions of Man“ (veröffentlicht 1964) erfahren hat, zeigt jedoch, in welchem Maße sie bereits den Zeitgenossen bewußt waren. Begriffe wie „Massenmedien“, „Informationszeitalter“ oder „globales Dorf“, die heute Gemeinplätze sind, wurden durch McLuhan, den Ahnvater der Kommunikations- und Medientheorie, damals in den Sprachgebrauch eingeführt. Warhols zeitgleich entstehende Arbeiten erscheinen, so gesehen, als Phänomenologie der medialen Wirklichkeitstransformation und -wahrnehmung. Denn wie sie haben auch die Massenmedien den Zug, durchsichtig und opak, unvermittelt und vermittelt, realistisch und eigengesetzlich zu sein. Und sie haben mit Warhols Bildern gemein, die enzyklopädische Fülle des Dargestellten in einem immergleichen, schablonenartigen Raster zu zeigen.

Warhol erneuert unter gewandelten Bedingungen eine der alten Fragen der Kunst: die Frage nach dem Verhältnis von Schein und Sein. Viele der Arbeiten erscheinen wie Versuchsanordnungen, die erforschen, was „Repräsentation“ angesichts der neuen Formen technisch-medialen Scheins heißen mag. Sie rollen das Problem gewissermaßen noch einmal von seinem Anfang her auf, so als wären Photographie und Film neue Erfindungen, deren Eigenheiten und Gebrauch erst noch eingeübt werden müßten. Für die Filme ist zu Recht gesagt worden, sie kehrten gleichsam noch einmal zu den Brüdern Lumière zurück, die das in seinen Anfängen steckende Medium anhand primitiver Dokumentationen einfachster Alltagssituationen zu erkunden begannen. „Movies bring in another whole dimension. That screen magnetism is something secret – if you could only figure out what it is and how to make it … But you can’t even tell if someone has it until you actually see them on the screen. You have to give screen tests to find out.“ (Andy Warhol).

Warhols Stärke liegt in der Verbindung dieser verschiedenen künstlerischen und außerkünstlerischen Ebenen. Zeitgenössischer Kunstdiskurs, kulturelle Zeugenschaft und grundlegende Fragen des Bildes und seines Bezuges zur Wirklichkeit sind in ihnen untrennbar verwoben. Die Vielschichtigkeit ist denn auch der Grund, weswegen Warhol so unterschiedlich gelesen und bewertet werden kann, den einen als Zyniker, den anderen als Sozialkritiker, den dritten als herausragender Künstler erscheinen will, wobei keine der Auffassungen für sich genommen richtig oder falsch ist. Und sie macht verständlich, wie die Bilder trotz ihrer Komplexität und unbeschadet ihrer scheinbaren „Unmöglichkeit“ eine beispiellose Verbreitung finden konnten und von Menschen geschätzt werden, die sonst an Kunst wenig Interesse zeigen. „I like to be the right thing in the wrong space and the wrong thing in the right space …, because something funny always happens. Believe me, because I’ve made a career out of being the right thing in the wrong space and the wrong thing in the right space. That’s one thing I really do know about.“ (Andy Warhol).

Abschnitt I
Abschnitt II
Punkt Abschnitt III
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Scheinbare Wiederkehr als Druckversion (PDF mit Abb. und Fn. 4.310 KB)

Andy Warhol Film Sleep Eat Empire

Scheinbare Wiederkehr als Druckversion (PDF mit Abb. und Fn. 4.310 KB)

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Die scheinbare Wiederkehr der Repräsentation. Ambivalenzstrukturen in Warhols frühem Werk

in: Andy Warhol. Paintings 1960-1986, hrsg. von Martin Schwander, Katalog Kunstmuseum Luzern 1995, Stuttgart 1995, S. 31-42 u. 74-76.

Abschnitt II

„What Warhol was trying to move toward in the films was a stillness.“ (Ronald Tavel)
Das auffälligste Merkmal der Filme ist ihre Eigenart, gegen ihr eigenes Medium zu arbeiten. Warhol entwickelt eine Syntax, die das, was den Film gegenüber anderen Bildmedien auszeichnet (z.B. seine fiktional-dramatischen Möglichkeiten), bewußt unterläuft. Dazu gehört an erster Stelle die Entscheidung für Themen, die handlungsärmer kaum sein könnten: ein Schlafender (John Giorno in Sleep), ein Essender (Robert Indiana in Eat) oder ein Rauchender (Henry Geldzahler im Film gleichen Namens), oder gar ein Gebäude, das natürlich völlig bewegungslos bleibt, während nur gerade die Tageszeiten wechseln (das Empire State Building in Empire) (Abb.3). Die Filme repräsentieren zwar ein Geschehen in der Zeit und sind damit grundsätzlich narrativ, verweigern aber dennoch, was als filmische Narration verstanden wird, nämlich eine organische Handlungsentwicklung mit Beginn, Höhepunkt und Ende. Bereits nach wenigen Minuten ist offenbar, was an Ereignissen bzw. Nicht-Ereignissen zu erwarten ist, obgleich die Filme eine beträchtliche Spieldauer aufweisen (Henry Geldzahler: 100 Minuten, Sleep: sechs Stunden, Empire: acht Stunden). Die filmische Handlung ist von elementaren Alltagshandlungen und -situationen nicht zu unterscheiden. Warhol bezeichnet entsprechend denjenigen als seinen besten Schauspieler, der innerhalb von zehn Minuten nur dreimal blinzelte. Die Frage, ob er nicht Blinzeln mit Schauspielen verwechsle, beantwortet er mit Ja. Verwandt ist dieses Indifferenz-Verfahren mit demjenigen minimal strukturierter Happenings und Events. Lauten deren Anweisungen z.B.: „One foot foreward. Transfer weight to this foot. Repeat as often as desired“ oder „Opening a closed window. Closing an open window“, so erhält Henry Geldzahler, Kurator für die Kunst des 20. Jahrhunderts am New Yorker Metropolitan Museum, die simple Anweisung, sich vor die Kamera zu setzen und eine Zigarre zu rauchen.
Geht es dem Happening um die Spannung zwischen Differenz und Indifferenz von Kunst und Leben, ruft Warhol diese Spannung nicht nur beim gefilmten Geschehen hervor (ist das Rauchen von Henry Geldzahler Alltag und damit Leben oder ist es Schauspielerei und damit Kunst?), sondern auch beim Ergebnis, dem Film. Hier stellt sich die entsprechende Frage, ob dieser Kunst oder nicht vielmehr Nicht-Kunst sei (z.B. eine Form von Dokumentarfilm). Trotz dieses wichtigen Unterschiedes, der aus dem Live-Charakter des Happenings und dem Repräsentationscharakter von Warhols Filmen resultiert, sind beide doch darin verwandt, daß sie jeweils auf die Dialektik von Umschlag vom einen ins andere (Differenz) und Gleichzeitigkeit von beidem (Indifferenz) angelegt sind. In beiden Fällen ist es zudem der Zuschauer, der sich zwischen den beiden Auffassungsweisen entscheiden muß, da das Werk selbst keine Vorentscheidung trifft.
Die elementare Alltäglichkeit und Handlungsarmut des filmischen Geschehens findet in der Art des Filmens seine Entsprechung. Entscheidend ist hier zunächst, daß die Kamera das Gefilmte unmittelbar konfrontiert. Meist verharrt sie während des Drehens in völliger Starre. Wird sie dennoch einmal bewegt, dann ausschließlich um die eigene Achse. Gleiches gilt für den Aufnahmewinkel, der nur selten durch ein Zoom etwas verändert wird. Empire z.B. zeigt über die gesamte Dauer von acht Stunden eine völlig gleichbleibende Bildeinstellung. Bei der Projektion des Films ergibt sich eine direkte Entsprechung zwischen dem fixierten Kamerablick auf das Objekt und der gleichbleibenden Perspektive des Betrachters auf den Film – eine Entsprechung, die sich in einem herkömmlichen Film gerade nicht einstellt, wenn der Filmzuschauer bald in einem Schlafzimmer steht und bald in einem Auto mitfährt, während er gleichzeitig unbeweglich in seinem Sessel sitzt.
Des weiteren verzichtet Warhol völlig auf Schnitt und Montage, die die Raffung der Zeit und den Aufbau einer Erzählstruktur erlauben, ja in denen die Semiologen des Films den eigentlichen Sprachcharakter des Mediums erblicken. Die Spulen, aus denen die Filme bestehen, werden in einem Zug abgedreht und auch integral gezeigt. Sie befolgen auf diese Weise das Prinzip der Synchronie, d.h. die durch sie dargestellte Zeit entspricht sowohl derjenigen, die das Drehen beansprucht, wie derjenigen, die für die Betrachtung des Films erforderlich ist.
Warhol kalkuliert die größtmögliche Annäherung von Kunst und Realität also nicht nur beim Filminhalt, sondern zugleich durch seine Entscheidungen beim Dreh- und Projektionsvorgang. Eine künstlerische Transformation der Wirklichkeit findet kaum statt. Die Semantik und Syntax der Filme entspricht derjenigen des dokumentarischen „cinéma direct“, das zugunsten des Dargestellten das Medium vergessen machen will. Nach Warhols Aussage sind seine Filme denn auch nicht besser und nicht schlechter als das, was sie zeigen. Es wird möglich, sich zum Projizierten wie zu einem physisch Anwesenden zu verhalten, z.B. wegzugehen und wiederzukommen, ohne mehr an Film-Zeit verpaßt zu haben als genau die Zeit der eigenen Abwesenheit. Warhol versteht seine Filme als eine Art permanenter Hintergrund, und entsprechend werden sie in der Factory gezeigt. Neben allem anderen, das geschieht, laufen in einem Teil des Raumes auch die Filme ab, ohne mehr als eine zerstreute Wahrnehmung zu verlangen: „You could do more things watching my movies than with other kinds of movies: you could eat and drink and smoke and cough and look away and then look back and they’d still be there.“ Auf der Leinwand und vor der Leinwand tun die Menschen im wesentlichen dasselbe – essen, trinken, rauchen usw. Die Gefilmten unterscheiden sich von den realen Menschen allein noch durch die Tatsache, nur als filmisches Double vorhanden zu sein.
Eine solche Beschreibung berücksichtigt jedoch nur den einen Pol der Filme, deren anderer ein krasser Anti-Illusionismus ist, der dem Betrachter die Differenz zwischen Lichtspiel und Realität deutlich zu Bewußtsein bringt. So weisen die Filme, um mit dem Auffälligsten zu beginnen, eine Qualität auf, die an üblichen Standards gemessen miserabel ist. Das betrifft sowohl das Bild wie den Ton, der meist unverständlich bleibt (sofern die Filme nicht ohnehin stumm sind, was in einer Zeit des Tonfilms allein schon eine erhebliche Verfremdung darstellt). Das Medium schiebt sich wie ein trübender Filter vor das Sichtbare. Zudem sind jeweils weder Vor- noch Abspann der einzelnen Spulen weggeschnitten. Dadurch wird das Bild in regelmäßigen Abständen unterbrochen und der Film für Augenblicke auf das reduziert, was er materiell ist: ein bloßer Zelluloidstreifen. Und schließlich werden der Kameraschwenk und das Zoom so arbiträr und erratisch eingesetzt, daß sie nicht etwa der Verdeutlichung des Filmgeschehens dienen, sondern gewissermaßen in einer formalistischen Rückwendung auf sich selbst das Zoom lediglich als Zoom und den Schwenk als Schwenk zum Ausdruck bringen.
Auch subtilere, nicht sogleich ins Auge fallende Maßnahmen werden ergriffen, um der filmischen Illusion entgegenzuwirken. Für die Ästhetik der stummen Filme (zu denen Sleep, Eat, Henry Geldzahler und Empire gehören) ist entscheidend, zwar in einer Geschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde aufgenommen zu sein, hingegen nur mit 16 Bildern pro Sekunde abgespielt zu werden. Dieses „ritardando“ um ein Drittel, obgleich bloß das Ergebnis einer Umstellung am Projektionsgerät, entfaltet eine außergewöhnliche Wirkung. Denn die Verlangsamung ist zu sanft, um als technische Manipulation wahrgenommen zu werden, weswegen der in der Literatur meist verwendete Ausdruck „Zeitlupe“ den Sachverhalt verfehlt. Vielmehr schlägt der Betrachter, da er aufgrund der filmischen Struktur die Überzeugung gewinnt, einem Echtzeit-Geschehen beizuwohnen, die Bedächtigkeit des Geschehens auf die Seite des Gefilmten, das sich gleichsam in einer Sphäre des gedehnten Seins zu befinden scheint. Es entfaltet sich eine Art „magischer Realismus“ von beinahe hypnotischer Wirkung. In dieselbe Richtung zielt Warhols häufiger Eingriff in die Chronologie. In Eat z.B. tut Robert Indiana nichts weiter, als während 45 Minuten einen einzigen Pilz zu essen. Doch dieser Pilz will nicht kleiner werden, sondern erneuert sich beständig. Warhol hat die zehn Spulen, aus denen der Film besteht, nach dem Prinzip des Zufalls montiert. Und Sleep ist nur deswegen zu einem Film von sechs Stunden Dauer geworden, weil die einzelnen Spulen mehrfach und in verschiedener Reihenfolge gezeigt werden. Damit werden selbst die minimalen dramatischen Strukturen aufgesprengt. Die Beziehung von Teil und Ganzem ist aufgehoben, und die Filme werden grundsätzlich endlos verlängerbar. Warhol hat dem Nachdruck verliehen durch die Art und Weise, wie er die stummen Filme bei bestimmten Gelegenheiten mit Ton versah. Für die Erstaufführung von Sleep stellte er zwei Transistorradios auf die Bühne und ließ sie, eingestellt auf unterschiedliche Sender, unaufhörlich Rock-Musik spielen. Eine andere Variante erfand er für die Präsentation von vier seiner Filme am New Yorker Film-Festival von 1964. Er beauftragte den Komponisten La Monte Young, ein Soundtrack zu schreiben, das für alle vier Filme gleichermaßen dienen sollte. Es bestand, den anderen Werken des Komponisten entsprechend, aus einem elektronisch aufbereiteten, einzigen und endlosen Ton.
Ein geradezu programmatischer Anti-Illusionismus prägt schließlich Warhols vielschichtigsten Film, Chelsea Girls. Der über dreistündige Film besteht aus zwölf Spulen à 30 Minuten, die Warhols Verfahren entsprechend in einem Zug abgedreht und nicht weiter bearbeitet sind. Sie enthalten zwölf Szenen, die alle im New Yorker Künstlerhotel Chelsea spielen, darüber hinaus jedoch kaum einen dramatischen Zusammenhang ausbilden. Chelsea Girls ist als Doppelprojektion entworfen, d.h. zwei Spulen werden simultan nebeneinander gezeigt. Die beiden Projektionen, die sich bereits aufgrund ihrer Gleichzeitigkeit konkurrenzieren, werden nun mit verschiedenen Maßnahmen zusätzlich in Gegensatz zueinander gebracht. Erstens laufen die Spulen zeitversetzt ab. Die eine beginnt, wenn die andere bereits etwa fünf Minuten zu sehen war, und endet, wenn auf der anderen Seite bereits die nächste Szene zu sehen ist. Zweitens ist jeweils nur der Ton von einer der beiden Spulen zu hören. Da nun jede Spule zusammen mit ihrem Ton einsetzt, wechselt der Ton bei jedem Einsatz einer neuen Spule die Seite und verwandelt die bereits laufende, deren Ton bislang zu hören war, in einen Stummfilm. Und schließlich sind vier der Spulen in Farbe, acht in Schwarzweiß gedreht. Die Projektionsabfolge wurde dabei so festgelegt, daß das gesamte Spektrum an Kombinationsmöglichkeiten zur Abdeckung kommt: zweimal Schwarzweiß, zweimal Farbe sowie je einmal Farbe und Schwarzweiß.
Auf komplexerer Ebene wiederholt sich, was bereits am Einsatz des Kameraschwenks und des Zooms sowie an den „Vertonungen“ der Stummfilme zu beobachten war. Warhol dekonstruiert das Medium und bringt dem Betrachter dessen Bestandteile (die Mechanik der Kamera, die Spulen, die Farbe, den Ton usw.) einzeln zu Bewußtsein. Bei der Neukombination der Elemente wird die Synthese zu einem organischen Ganzen, das dem konventionellen Film die dramatische Fiktion erst ermöglicht, genau konterkariert. Warhol ersetzt sie durch die Zusammenstellung selbständiger Einheiten, die in einer seriellen, anti-kompositorischen und virtuell unbegrenzten Folge neben- und hintereinandergeschaltet sind. Die Entstehungsweise sowohl der einzelnen Einheit wie der ganzen Folge werden dabei in ihrer konkreten Struktur offengelegt.
Die Syntax der Filme weist damit Eigenschaften auf, wie sie, bei allen materiellen Unterschieden, von den Werken der Minimal Art bekannt ist. Die Reihen von identischen Kästen bei Donald Judd (Abb.4) z.B. sind von derselben Spannung zwischen Entwicklung und Wiederholung, von abgeschlossenem Ganzen und virtuell unendlicher Erweiterbarkeit geprägt, wie sie auch an der Reihung der stets gleich langen, oft praktisch inhaltsgleichen Spulen in Warhols Filmen zu beobachten ist. Daß eine solche Verwandtschaft überhaupt möglich ist zwischen einem Medium, das an sich repräsentierend, narrativ und komponierend ist, und einer künstlerischen Sprache, die Repräsentation, Narration und Komposition aus den eigenen Werken auszuschließen versucht, ist bezeichnend. Sie verweist genau auf die Art der Ambivalenz, die die Filme charakterisiert. Die Indifferenz, mit der Warhol die Kamera auf Menschen und Gegenstände richtet („… it’s so easy to make movies, you can just shoot and every picture really comes out right“), hat die Folge, daß die Auffassung des Betrachters unablässig zwischen einer strukturindifferenten Erfassung des dargestellten Gegenstandes und einer gegenstandsindifferenten Erfassung der Struktur hin- und herpendelt. In entsprechend gegensätzlicher Weise werden die Filme beurteilt. Erscheinen sie den einen als Reduktion des Mediums auf eine konkrete, selbstbezügliche Oberfläche, sah sie Jonas Mekas, der in den 60er Jahren die New Yorker „Film-Makers Cooperative“ leitete und die meisten der Filme uraufführte, in der Tradition des dokumentarischen, auf objektive Darstellung des Gegenstandes bedachten „cinéma vérité“. Doch wenn die Filme etwas „dokumentieren“, dann weder allein die Realität noch die konkreten Eigenschaften des Mediums. Es ist der Vorgang der filmischen Repräsentation selbst, den sie thematisieren, indem ihre mimetische und konkret-selbstbezügliche Struktur dazu zwingt, die Beziehung zwischen beidem ständig neu zu bestimmen. „All my films are artificial, but then everything is sort of artificial, I don’t know where the artificial stops and the real starts.“ (Andy Warhol).

Abschnitt I
Punkt Abschnitt II
Pfeil Abschnitt III
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Scheinbare Wiederkehr als Druckversion (PDF mit Abb. und Fn. 4.310 KB)