Paul Cezanne realisation sensation motiv

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Subjektivität und Medialität bei Cézanne – mit Vorbemerkungen zu Dürer, Kersting und Manet

in: Subjekt und Medium in der Kunst der Moderne, hrsg. von Michael Lüthy und Christoph Menke, Berlin 2006, S. 189-207.

Abschnitt III

Indem sich in der Kunst der Moderne die Aufmerksamkeit zunehmend vom Produkt auf die Produktion verschiebt und dem Akt der Hervorbringung häufig mehr Interesse entgegengebracht wird als dem hervorgebrachten Kunstwerk selbst, wandeln sich die ‚Inhalte‘, welche die Kunst kommuniziert, radikal. Das Kunstwerk verdankt sich jener intimen Zwiesprache zwischen Künstler und Medium, die Kersting und Manet in unterschiedlicher Akzentuierung vorführen. In dieser Zwiesprache verschmilzt das Selbstgespräch des Künstlers, der im Fortgang zum Bild zu sich selbst zurückzukehren sucht, mit der im Bild vollzogenen modellhaften Vermittlung von Selbst und Welt. Beide Vermittlungsgeschehen – des Subjekts mit sich selbst und mit der Welt – werden vom Bild auf Dauer gestellt und dem Betrachter kommuniziert. Dieser im Bild bzw. als Bild kommunizierte Prozeß tritt in der Moderne an die Stelle dessen, was in der früheren Kunst Narration und Repräsentation waren.
Was es heißt, Kunstwerke als jenes doppelte Vermittlungsgeschehen zu begreifen, möchte ich im Folgenden anhand von Paul Cézannes Gemälden genauer ausführen. Die Wahl fiel nicht zuletzt deshalb auf Cézanne, weil seine Malerei in einer für unseren Zusammenhang einschlägigen Weise gegensätzlich gedeutet wird. Die einen erkennen in ihr, in der Nachfolge von Maurice Merleau-Pontys phänomenologischer Cézanne-Deutung, jene „kopernikanische Wende“ der Kunst, die das subjektivierte, im eigenen Leib zentrierte Sehen zum Fundament der Malerei erklärt. Die anderen hingegen, dem formalistischen Moderneverständnis zuneigend, begreifen sie als jene entscheidende, bis weit ins 20. Jahrhundert und in die ungegenständliche Malerei hineinwirkende Offenbarung, daß ein Bild – wie die berühmte Formulierung von Maurice Denis lautet –bevor es irgend etwas darstellt, zunächst einmal eine Oberfläche ist, die von Farben in einer bestimmten Anordnung bedeckt wird. Cézannes Malerei gilt sowohl als Kronzeuge der Subjektivierung als auch der medialen Selbstreferenz der modernen Malerei. Damit aber stellt sich die Frage, ob – und gegebenenfalls warum – beide Deutungen zugleich richtig sein können. Wenn wir in Bezug darauf Cézannes Arbeitsweise und malerisches Selbstverständnis genauer betrachten, begegnen wir manchen Aspekten der Verflechtung von Subjektivität und Medialität wieder, die bereits bei Kerstings und Manets (Selbst-)Darstellungen angesprochen wurden – insbesondere der Rolle des Lichts, der Unentschiedenheit zwischen Aktivität und Passivität des künstlerischen Tuns sowie des Ineinandergreifens von Indexikalität und Ikonizität.
Es wird nie genau zu bestimmen sein, worin das Ziel von Cézannes ‚réalisation‘ bestand – jenes ‚Realisierens‘, als das er seine malerische Tätigkeit begriff und dessen Verfehlen er bis zu seinem Lebensende fürchtete. Eine erste Vorstellung davon geben jedoch die Begriffe, die Cézanne benutzte, wenn er sein künstlerisches Verfahren beschrieb. Da ist zunächst das ‚Motiv‘, mit dem er nicht nur den gegenständlichen Vorwurf des Bildes meinte, sondern ebenfalls die Motivation für seine unermüdliche Arbeit des Beobachtens und Malens. ‚Aller sur le motif‘, wie er seinen Gang zur Arbeit nannte, bedeutete folglich, in eine Beziehung zu einem äußeren Objekt zu treten, das ihn zugleich innerlich bewegte und das es im Lichte dieses doppelten Bezugs bildnerisch auszuarbeiten galt. Das Sichtbare war ihm Darstellungsgegenstand und Inspirationsquelle, Modell und Muse zugleich. Heteronome und autonome Vorstellungen künstlerischer Kreativität verschränken sich, indem diese als zugleich innen- und außengeleitet erscheint, motiviert durch etwas, was man mit Jacques Lacan eine „intime Exteriorität“ nennen könnte.
‚Sensation‘, am ehesten zu übersetzen als ‚Empfindung‘, entfaltet als weiterer Schlüsselbegriff in Cézannes Vokabular eine vergleichbare Komplexität. Zunächst meint er die visuelle Wahrnehmung im Sinne der ‚Impression‘, also einen vom Objekt ausgehenden optischen Sinnesreiz. Zugleich umfaßt er die Emotion als psychische Reaktion auf das Wahrgenommene. Ausdrücklich stellte Cézanne nicht das darzustellende Objekt, sondern die ‚sensation‘ in den Mittelpunkt seiner malerischen Bemühungen. Damit formulierte er eine Beziehung zur Welt, die „gleichzeitig Ergreifen und Ergriffenwerden“ war. Das Medium, das dabei zwischen den Dingen und den Empfindungen vermittelte, waren – auf das Sehen bezogen – das Licht sowie – auf die Übersetzung in Malerei bezogen – die Farbe.
Die ‚réalisation‘ von Cézannes Malerei zielte folglich auf mehreres zugleich. Sie galt zunächst dem Naturmotiv in seiner unendlichen Vielfalt, des weiteren den Empfindungen, welche dieses in ihm auslöste, und schließlich dem Gemälde selbst, dessen Gelingen die anderen ‚Realisierungen‘ erst ermöglichen würde. ‚Malen‘ hieß, jene gegenläufigen Bewegungen des Aufnehmens und Abgebens, der ‚Impression‘ und der ‚Expression‘, in einer einzigen Geste ineinander aufgehen zu lassen. Als Cézanne habe erklären wollen, was ‚ein Motiv‘ sei, habe er, so erinnert sich Gasquet, die Hände voneinander entfernt, um sie dann ganz langsam mit gespreizten Fingern wieder aneinander anzunähern, sie ineinander zu schieben und fest miteinander zu verschränken. Diese Verschränkung zu leisten, überantwortete Cézanne den farbigen Flecken, aus denen seine Bilder sich zusammensetzen. Sie bildeten das Grundelement, aus dem er, je später im Œuvre desto ausdrücklicher, seine Bilder ‚baute‘ (Abb. 4). Diese Bausteinfunktion konnten sie deshalb erfüllen, weil sie verschiedene Dualitäten in sich aufhoben. Jede ‚tache‘ ist Form und Farbe, Malerei und Zeichnung, Licht und Dunkelheit, materieller Rohstoff und Form in einem. Statt die Dinge durch die Linie zu umreißen, durch das Spiel von Licht und Schatten zu modellieren und schließlich durch die Farbe zu kolorieren, so wie es in der klassischen Kunst geschah, basierte Cézanne seine Malerei allein auf einem differentiellen System kontrastierender Farbmarkierungen. Komposition ersetzte er durch ein Verfahren, das er ‚Modulation‘ nannte. Die ‚tache‘ war folglich Endpunkt und Ausgangspunkt zweier gegenläufiger Prozesse. In ihr wurden komplexe Erfahrungen und Verfahren eingefaltet, um anschließend daraus die Ordnung des Bildes zu entfalten.
Mit dem rhythmisierten, eine Art gleichmäßiger Unschärfe hervorbringenden Gewebe der ‚taches‘ versuchte Cézanne der Natur des Sehens möglichst nahe zu kommen. Das Vorgehen war allerdings ebenso paradox wie das Ergebnis. Um neu sehen zu lernen, brach Cézanne mit den Konventionen der Malerei – Konventionen, die hier anhand eines Landschaftsgemäldes von Claude Lorrain vergegenwärtigt seien (Abb. 5). Im Willen, der ‚Verdunkelung‘ des konventionalisierten Sehens eine neue Klarheit entgegenzusetzen, ersetzte Cézanne die illusionistische Durchsichtigkeit des klassischen Tafelbildes durch eine fleckige Opazität, also durch eine Malweise, die nicht nur die Medialität des Bildes, sondern mehr noch: dessen Dinglichkeit zur Schau stellte. Damit aber bezog sich das ‚neue Sehen’ vor allem auf Gemälde, deren Erscheinungsweise befremdlich ins Auge stach. Es mündete in ein Bild, das zuallererst auf sich selbst verwies.
Mit seinem Prinzip der ‚Modulation‘ kontrastierender Flecken durchkreuzte Cézanne die klassische Bildordnung Punkt für Punkt. Die symbolische Ordnung des klassischen Bildes gründete in einer Metaphysik der Schönheit als Angemessenheit und Proportion. Kompositorisch manifestierte sich dies als Hierarchie von Teil und Ganzem, Zentrum und Peripherie, Vorne und Hinten, Hell und Dunkel, malerischer Präzision und skizzenhafter Andeutung, wobei sich die Organisation dieser einzelnen Bildaspekte in ihrer Sinnfälligkeit gegenseitig bestärkte. Im Mittelpunkt des Gemäldes, buchstäblich und metaphorisch, stand der ‚Bildheld‘ und spielte sich das Hauptgeschehen ab – bei Lorrain jene im goldenen Schnitt der Bildbreite positionierte mächtige Baumgruppe sowie die ihr beigeordneten alttestamentarischen Figuren Jakobs, Labans und seiner Töchter –, während die Peripherie und der Hintergrund des Bildes als Echo und Bestätigung des Hauptgeschehens dienten. Gleichzeitig wurde das Bild als ‚Durchblick‘ (‚prospectus‘, ‚prospectiva‘) aufgefaßt. Der Blickpunkt des Betrachters und der Fluchtpunkt des Bildes standen dabei in einem unumkehrbaren Verhältnis zueinander, allein schon deshalb, weil der räumliche Durchblick unmittelbar mit der geforderten ‚perspicuitas‘, der Prägnanz und Lesbarkeit der Darstellung, verbunden war. Bei Cézanne hingegen überwiegt das Heterogene das Homogene, das Offene das Geschlossene, die Peripherie das Zentrum, die Zerstreuung die Konzentration; und während die klassische Kompositionsform Bild und Betrachter über die Metaphern des ‚Organismus‘ analogisierte, kündigt Cézannes Fleckentextur das Spiegelverhältnis zwischen Betrachterkörper und Bildkörper auf.
In denselben Zusammenhang gehört auch Cézannes vieldiskutierter Bruch mit der zentralperspektivischen Raumordnung. Häufig wird dieser Bruch lediglich im Zusammenhang mit der modernistischen Malerei gesehen, deren Tendenz zur Flächigkeit den Illusionismus des klassischen ‚Bildfensters’ destruiere und die Medialität des Bildes selbstreferentiell herausstelle. Seltener bedacht wird der Umstand, daß das Verschwinden des Fluchtpunktes als innerem Fokus des Bildes zwangsläufig das Verschwinden des Betrachterstandpunktes als äußerem Fokus des Bildes nach sich zieht. An beiden Polen der Sehachse gerät Cézannes Malerei sozusagen ‚out of focus‘, so daß die Beziehung zwischen Bild und Betrachter ebenso unbestimmt wird wie der Zusammenhang zwischen den einzelnen Flecken im Bild.
Das zwischen Ich und Welt vermittelnde Medium war für Cézanne, wie bereits erwähnt, das Licht. Zugleich aber war er sich bewußt, daß dieses im Bild nicht reproduziert, sondern nur durch etwas anderes, durch Farbe, dargestellt werden konnte. Aufgrund dieser Eigenart, ‚durch anderes‘ zu repräsentieren, verschränken Cézannes Flecken Ähnlichkeit und Entstellung, erscheinen sie überdeterminiert und unterbestimmt zugleich. Diesbezüglich besteht eine der Pointen von Cézannes Malerei in der Überlagerung von Sehen und Berühren. Wie schon die Ambivalenz der Begriffe ‚motif‘ und ‚sensation‘ zeigt, war das Gesehene für Cézanne immer zugleich dasjenige, was ihn im Inneren ‚berührte‘. Wurde das Gesehene dann als Bild realisiert, entstand dieses aus lauter einzelnen kleinen ‚Berührungen‘ der Leinwand; tatsächlich sind ‚tache‘/‚Fleck‘ und ‚touche‘/‚Berührung‘ auch etymologisch verwandt. Dieselbe Überblendung zeigt sich in Cézannes Beschreibung seines Sehens. Er wünschte sich, ebenso präzise wahrnehmen zu können wie eine lichtempfindliche fotografische Platte, auf der sich „die ganze Landschaft einschreiben“ sollte. Mit dem Vergleich des eigenen Sehens mit einer fotografischen Apparatur griff er gerade nicht den naheliegenden Vergleich von Auge und Kameraobjektiv auf. Vielmehr parallelisierte er die jeweils ‚dahinter‘ liegenden Ebenen von fotografischer Platte und Gehirn. Dieses sollte sich, so seine Formulierung, mit dem Bild der Dinge „imprägnieren“. Cézannes Beschreibung des eigenen Sehens betont die passive Medialität des künstlerischen Selbst, das zum bloßen Registrator und Vermittler empfangener Kräfte wird. Zugleich läßt eine solche Selbstauffassung jedes reflexive Modell scheitern, ‚sich selbst sehen zu sehen‘. Denn gegenüber der Unmittelbarkeit der Berührung wird jedes ‚sehende‘ Bewußtsein davon zur nachträglichen Rekonstruktion; oder anders formuliert: Das Gehirn sieht nicht.
Indem jeder Farbfleck zugleich ikonisches und indexikalisches Zeichen ist, wird die Relation zwischen der Bildoberfläche und demjenigen, was auf ihr sichtbar wird, zutiefst ambivalent. Einerseits verharren die Bilder in einer Art absoluter Distanz zu den Dingen, die Cézannes Malerei jenen Zug von ‚Unmenschlichkeit‘ verleiht, den Merleau-Ponty an ihr herausstrich (Abb. 6). Zugleich aber drängt dieser unnahbare Grund, der in einem klassischen Gemälde wie demjenigen Lorrains lediglich den lichtvollen Hintergrund des bühnenartigen Raums abgab, immer stärker nach vorne, bis er jeglichen Zwischenraum verdrängt und mit der Bildfläche verschmilzt. Einerseits also entfernen sich die Gegenstände aus dem immer unkörperlicher werdenden Bild, andererseits aber bewegen sich Bild und Gegenstand solange aufeinander zu, bis sie ineinander aufgehen. Die Bildfläche wird zur Membran, wo diese gegenläufigen Bewegungen sich berühren. An Gemälden wie Sous-bois – Chemin du Mas Jolie au Château Noir (Abb. 7), die Ansätze einer zentralperspektivischen Ordnung erkennen lassen, wird diese Ambivalenz besonders augenfällig. Jeder Farbfleck markiert hier zugleich eine Position im Raum und eine Position auf der Bildfläche, wobei beides fortlaufend ins andere umspringt. Im Kontext des Bildes als tiefenräumliche Illusion zeigt sich die ‚tache‘ als Fläche, in der flächigen Ausbreitung der Leinwand indessen als Tiefe. Diese Doppelidentität gewinnen die Flecken deshalb, weil sie sich kaum je verdecken, sondern konsequent nebeneinander gesetzt sind und somit jeweils gleich weit von unserem Auge entfernt scheinen. Die Tiefenerstreckung des Chemin wird zu einem differentiellen Effekt, wobei sich der Raum, den keine einzige Linie erschließt, nie mit einem meßbaren Raum konvergiert. Durch das unruhige Nebeneinander von warmen und kalten, helleren und dunkleren Farbtönen gewinnt er vielmehr eine zeitliche Dimension, die ihn pulsieren – entstehen und wieder schwinden – läßt. Das Bild eröffnet und verdeckt die Tiefe gleichermaßen. Ob es eher ‚hinter‘ dem Raum liegt und diesen aus seinem fleckigen Grund entspringen läßt, oder ob es vielmehr wie ein Schirm ‚vor‘ dem Raum liegt, dessen Licht sich in ihm abzeichnet, bleibt unentscheidbar. Über das Bild rieselt das Licht, dessen Quelle oder Einfall Cézanne niemals malte, sondern das er jeweils über die gesamte Bildfläche zerstreute. Das Sehen ist weder perspektiviert noch fokussiert. Umgekehrt ist im Bild – wie man mit Rilkes Gedicht über den Torso von Belvedere sagen könnte – „keine Stelle, die dich nicht sieht“.
Ein später Brief Cézannes eröffnet eine weitere Dimension der wechselseitigen Kräfte, die auf die zwischen Auge und Sichtbarem liegende Bildfläche einwirken:
„Ich möchte dir sagen“, schreibt er an seinen Sohn, „daß ich als Maler vor der Natur hellsichtiger werde, daß bei mir jedoch die Realisierung meiner Empfindungen immer sehr schwierig ist. Ich kann die Intensität, die sich vor meinen Sinnen entfaltet, nicht erreichen, ich besitze diesen großartigen Farbenreichtum nicht, der die Natur beseelt. Hier, am Ufer des Baches, vervielfachen sich die Motive, das gleiche Sujet, unter einem anderen Blickwinkel gesehen, bietet ein Studienobjekt von stärkstem Reiz und von solcher Mannigfaltigkeit, daß ich glaube, mich über Monate beschäftigen zu können, ohne den Platz zu wechseln, indem ich mich bald mehr nach rechts, bald mehr nach links beuge.“
Cézanne wandte seine Aufmerksamkeit von der Registrierung visueller Sensationen und den Phänomenen des Lichts auf den eigenen Körper zurück: auf dessen rhythmische Bewegung und Zeitlichkeit. Unter diesen Voraussetzungen eines dynamisierten Sehens zu malen hieß, dem Bild nicht nur die gegenläufige Verschiebung von Augpunkt und Sehfeld einzutragen, die das Wiegen des Körpers provozierte, sondern zugleich die Empfindung der eigenen Körperbewegung mit derjenigen der ‚beseelten‘ Natur zu verschmelzen – ein bildplastisches Problem, das man sich nicht schwierig genug vorstellen kann. In einem drei Wochen früher geschriebenen Brief, in dem er bereits von Erfahrungen berichtete, die er an demselben Bachufer machte, stellte er dafür eine Maxime auf. Es sei ausschlaggebend, ins Bild „ein Höchstmaß an Wechselbeziehungen hineinzubringen“. Diese Wechselbeziehungen betrafen folglich nicht nur die einzelnen Bildelemente, sondern zugleich das Verhältnis zwischen dem Sichtbaren und dem beweglichen Auge des Malers. Zwei Beispiele, an denen der Versuch, beides ineinanderzublenden, besonders gut zu beobachten ist, seien hier herausgegriffen. So führt in Rochers dans la forêt (Abb. 8 ) die starke Konturierung des Felsens im Vordergrund sowie die eigentümliche Überschneidung von Gestein und Baumstamm am linken Bildrand zu einem Effekt, der aus stereometrischen Fotografien bekannt ist: zu einer Räumlichkeit, die eher aus der Verschiebung verschiedener Bildebenen zueinander entsteht als aus einer nachvollziehbaren Tiefenstaffelung der Dinge. Eine andere Variante zeigt das Aquarell eines Blätterwerks (Abb. 9). Die evozierte Bewegtheit läßt sich weder allein auf das Rascheln der Blätter noch auf das Wiegen des Malers reduzieren, sondern hebt beides in einer Bewegtheit des Bildes selbst auf, so als blickten wir durch ein Kaleidoskop, dessen Drehung die Welt in eine immanente Ordnung roter, smaragdgrüner und violetter Facetten überführt.

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punkt Abschnitt III
Paul Cezanne - Pfeil Abschnitt IV
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