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Die Kunst und ihr Außen als Druckversion (PDF mit Abb. u. Fn. 3.430 KB)

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Die Kunst und ihr Außen – Am Beispiel von Claes Oldenburgs The Store

in: Zwischen „U“ und „E“. Grenzüberschreitungen in der Musik nach 1950, hrsg. von Friedrich Geiger und Frank Hentschel, Frankfurt am Main 2011, S. 173 – 194.

Kapitel II: Die mediale Perspektive

Diese Feststellung führt uns zu den medialen Eigenheiten von Kunst und Musik: In den bildenden Künsten handelt es sich weithin (und trotz vieler Anstrengungen der Avantgarden, gegen diesen Sachverhalt anzukämpfen) um einmalige Objekte, die unter eindeutigen Eigentumsverhältnissen stehen. Dieser Dingcharakter des Kunstwerks führt nicht nur zu seiner spezifischen Warenform, vielmehr kann das Kunstwerk den Charakter einer Aktie annehmen, deren Wert von der Entwicklung und Vermarktung des Künstlers abhängt. Selbst dort, wo sich die Kunst wie die Musik auf reproduktive Massenmedien stützt (Grafiken, Videos, Fotografien), stößt man im Allgemeinen auf limitierte Auflagen, durch die sich der Unikatcharakter und damit die ‚auratische‘ Qualität des Kunstwerks als raumzeitliche Singularität wieder herstellt.
Auf den populären Kunstmessen, etwa der Art Basel, sind bedeutende Arbeiten bereits vor Messebeginn reserviert, wenige Stunden nach der Eröffnung sind viele Stände komplett ausverkauft, wobei sogenannte ‚signature pieces‘, die Arbeiten von gerade angesagten Künstlern, besonders stark umkämpft sind. Hier dominiert allein die Binarität von A- und B-Ware, hoher und niedriger Rentabilität. Wer auf dem Markt etabliert ist, steigt immer weiter im Preis. Dies erzeugt einen ‚Winner-takes-it-all-Effekt‘, eine enorme preisliche Differenz zwischen ‚billiger‘ und ‚teurer‘ Kunst.
Noch eindeutiger präsentiert sich der Waren- bzw. Aktiencharakter der Kunstwerke im secondary market der Auktionshäuser. 2007 setzten die New Yorker Herbst-Auktionen rund 1,3 Milliarden Dollar um, wobei ein enormer Preisanstieg zu verzeichnen war. Die Werke der bildenden Kunst sind in ganz besonderem Maße Gegenstände der Spekulation, wobei an diesen Transaktionen selbst Hedge-Fonds beteiligt sind; dies erklärt auch, weshalb Einbrüche an den Devisenmärkten solche an den Kunstmärkten unmittelbar nach sich ziehen.
Wie das ökonomische System der Musik, so gehorcht also auch das ökonomische System der bildenden Kunst einer Logik des Tauschwerts, welche die soziale Ökonomie des Statuswerts sowie die individuelle Ökonomie des Begehrens einschließt. Doch ist die soziale Zugangsschwelle zum Markt der bildenden Kunst weit höher als zu dem der massenmedial verbreiteten musikalischen Produktion, denn schon das Gemälde eines unbekannten Künstlers kostet, erworben in einer Galerie, mindestens einen vierstelligen Euro-Betrag. Durch den Besitz von Kunst artikulieren sich also soziale Tatsachen: Wer Kunst bei sich zuhause haben möchte, muss einen hohen ‚Mitgliedsbeitrag‘ entrichten, den sich nicht jeder leisten kann. Mehr als musikalische Produktionen, deren wirtschaftliche Rentabilität von der massenweisen Verbreitung von Reproduktionsmedien und damit in einem viel höherem Maße vom Zuspruch eines großen Publikums abhängt, wird der Wert eines Kunstwerks in einem schwer durchschaubaren Marktgeschehen ausgehandelt, das mit demjenigen anderer knapper Güter vergleichbar ist.
In Museen und Ausstellungen werden die ökonomischen Verflechtungen und das materielle Gewicht der Sammlung allerdings weitgehend ausgeblendet und damit die Trennung von Kunst und Ökonomie scheinbar aufrecht erhalten. In den Galerien hingegen müsste man sich der wirtschaftlichen Motivation zwar eigentlich bewusst sein, doch verdrängt die Illusion des White Cube das Geschäftliche in die Hinterzimmer.

Einleitung
Kapitel I: Die institutionelle Perspektive
Punkt Kapitel II: Die mediale Perspektive
Pfeil Kapitel III: Die Popularität der Kunst, oder: Gibt es in der bildenden Kunst einen Bereich des ‚U‘?
Kapitel IV: Die Kunst und ihr Außen
Kapitel V: Ein konkretes Beispiel: Claes Oldenburgs ‚The Store‘
Kapitel VI: Die ‚Beseelung‘ der Dinge
Kapitel VII: Die Störung der ästhetischen Grenze
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Die Kunst und ihr Außen als Druckversion (PDF mit Abb. u. Fn. 3.430 KB)