Edouard Manet Paradoxie Widersprüchlichkeit Gesamtwerk

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Bild und Blick in Manets Malerei

Berlin: Gebr. Mann Verlag 2003.

Einleitung, Abschnitt II

Solche Eigenheiten von Manets Malerei sind wiederholt bemerkt und in unterschiedlicher Weise gedeutet worden. Negative Würdigungen nennen sie deren „Absurdität“ (Theophile Thoré, 1863) oder „Inkonsistenz“ (Timothy Clark, 1984), eine positive Würdigung spräche von Verdichtung, Prägnanz oder Komplexität. Die hier vorgelegten Studien rücken diese Eigenschaften in den Mittelpunkt. Die Ausgangsthese lautet: Die Widersprüchlichkeiten bilden – um es selbst widersprüchlich auszudrücken – den ‚Kern‘ von Manets Bildern. Sie sind deren „punctum“, wie Roland Barthes sagen würde: deren ‚Pointe‘ und ‚Loch‘ zugleich.
Die Vorgehensweise, die sich daraus ableitet, beruht auf vielen methodischen Voraussetzungen, die sich in der Auseinandersetzung mit der facettenreichen und heterogenen Manet-Forschung gebildet haben. Sie im einzelnen zu referieren, möchte ich dem Leser an dieser Stelle ersparen. Lediglich in Exkursen – die auch übersprungen werden können – werden einige wichtige Gesichtspunkte der Literatur diskutiert. Der methodische Grundgedanke dieser Studien läßt sich jedoch mit wenigen Worten formulieren. Er liegt in der strikten Wechselseitigkeit zwischen der Interpretation der Bilder und der Analyse des Bezugs von Bild und Betrachter, oder noch knapper gesagt, in der analytischen Verschränkung von Bildstruktur und Betrachterbezug.
In rezeptionsorientierter Perspektive versucht das Close reading ausgewählter Hauptwerke, die Eigenart der einzelnen Bilder im Lichte ihrer ästhetischen Erfahrung zu erfassen. In produktionsorientierter Perspektive wird es zugleich darum gehen, den strukturellen Zusammenhang des Gesamtwerks herauszuarbeiten. Diesbezüglich gilt es, einer Folge der seit längerem dominierenden sozialgeschichtlichen Manet-Forschung entgegenzuwirken. Aufgrund der Inhaltslastigkeit dieser Forschungsrichtung ist ihr Interesse an bildstrukturellen Fragen ohnehin eher gering. Gleichzeitig werden immer ausgefeiltere Untersuchungen zu einzelnen Bildern vorgelegt, die sie in alle möglichen Zusammenhänge stellen, nur nicht in den Zusammenhang des Œuvres. Sie rücken dem einzelnen Bild zu nah und dem Gesamtwerk zu fern, mit dem Ergebnis, daß die Konturen beider verschwimmen. Was zeitlich auseinanderliegende Werke wie das frühe Déjeuner sur l’herbe und das späte Un bar aux Folies-Bergère oder thematisch divergierende Bilder wie Olympia, L’exécution de Maximilien und Dans la serre miteinander verbindet, ist als Frage so dringlich wie unter den augenblicklichen Forschungsprämissen kaum zu beantworten.

Bild und Blick im Zeichen künstlerischer Autonomie
punkt Abschnitt II
Edouard Manet - Pfeil Abschnitt III
Abschnitt IV
Abschnitt V
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